02.12.2012 Aufrufe

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

In ähnlicher Weise kann man sich die Menschen vorstellen als determiniert<br />

durch die Produktionsbedingungen. Die entsprechende Zeichentheorie<br />

läuft meist auf eine Widerspiegelung der Dinge im Bewusstsein<br />

hinaus. Dazu als Illustration eine Wendung von Friedrich Engels, die<br />

später in der marxistischen Orthodoxie zur Herausbildung einer generellen<br />

Widerspiegelunstheorie geführt hat; dass nämlich die „Entwicklung des<br />

Weltganzen“ nach Art eines „Spiegelbildes dieser Entwicklung in den<br />

Köpfen der Menschen“ (Engels: Anti-Düring 26) abgebildet sei.<br />

Für die <strong>Theologie</strong> bringt diese Denktradition spezifische Risiken mit<br />

sich. Im Blick auf „klassische“ <strong>Theologie</strong>, die sich nicht als kontextuell begreift,<br />

lässt sich das Hauptrisiko mit dem Stichwort des Offenbarungspositivismus‘<br />

bezeichnen. Oben habe ich mit Max Stackhouse ein Musterbeispiel<br />

für dieses Problem vorgestellt. Manche rechnen auch die <strong>Theologie</strong><br />

Karl Barths mit unter diese Kategorie.<br />

Ein anderes Beispiel für den objektivistischen Ansatz kann man in der<br />

Dogmatik Otto Webers sehen, die von „Gottes Selbsterschließung“ her<br />

entworfen ist. 83 Weber verliert die <strong>Theologie</strong> treibenden Menschen aus<br />

dem Blick. Dies wird besonders deutlich, wenn er behauptet, da Dogmatik<br />

es in der Offenbarung mit etwas schlechthin Besonderem zu tun habe,<br />

könne sie nur „in Abgrenzung gegen jedes vorgegebene Denkschema“<br />

(Weber: Dogmatik I 62.) betrieben werden. Wie sollte das möglich sein?<br />

Die lebenden Menschen bleiben selbst dann noch reduziert auf eine<br />

Rolle als Anwender von Lehre, wenn diese als „Grammatik des Glaubens“<br />

(Lindbeck: Lehre) aufgefasst wird, ohne dass die Grammatiker ins Spiel<br />

kommen. Lindbeck kommt mit seiner Regeltheorie weit über ältere theologische<br />

Ansätze hinaus und leistet einen wichtigen Beitrag zur neueren<br />

Diskussion. Aber, obwohl er auf die Einbindung theologischer Theoriebildung<br />

in der Kultur hinweist, bleibt Lindbeck in einem Strukturrealismus<br />

theologischer Regelsysteme gefangen, der auf Anwendung als Regelbefolgung<br />

zielt. 84<br />

<strong>Theologie</strong> ist in objektivistischen Ansätzen die Formulierung weitgehend<br />

geschlossener Systeme von Wahrheiten, die „in der <strong>Praxis</strong> angewendet“<br />

werden sollen. Glaube läuft dann auf die Anerkennung der Richtigkeit<br />

von „Glaubenswahrheiten“ durch die Individuen hinaus und auf die<br />

Befolgung von Regelsystemen. Der Fokus liegt auf dem Glaubensinhalt.<br />

83 Vgl. Weber: Dogmatik I, 184 ff, 49 ff.<br />

84 Vgl. vor allem seine postliberale theologische Regeltheorie ab S. 162.<br />

114

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!