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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Wenn man die religiösen Habitus als Grundlagen religiöser (und<br />

theologischer) Produktion begreift, gewinnen die negativ qualifizierten<br />

Ausgangserfahrungen und ihre Entsprechungen im Netz der Dispositionen<br />

eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung für die Konstruktion und<br />

den Sinn einer religiösen <strong>Praxis</strong> als ganzer. Nicht das reine religiöse oder<br />

theologische Zeichensystem (Lehre, Dogmatik, Bekenntnisschriften,<br />

Rituale etc.) als solches gibt Auskunft über sich selbst und ist hinreichender<br />

Gegenstand religionswissenschaftlicher Analyse, ja nicht einmal theologischer<br />

Untersuchung. (Im Übrigen sind sie ja nur Zeichensysteme kraft<br />

wissenschaftlicher Abstraktion, während in der menschlichen <strong>Praxis</strong> Zeichen<br />

fortwährend in Wirkungszusammenhängen operieren.) Auch die<br />

Interpretation der Zeichen auf vermeintlich Universales hin erschließt<br />

nicht den Sinn eines solchen „Systems“, sondern allenfalls den Standpunkt<br />

seiner Interpreten. Der Sinn eines religiösen Zeichensystems erschließt<br />

sich nur als praktischer Sinn. Das heißt, methodisch genauer, man kann<br />

ihn erschließen, wenn man von jenen Kontingenzerfahrungen der betreffenden<br />

Akteure ausgeht, die für Hervorbringung und Gebrauch der betreffenden<br />

religiösen <strong>Praxis</strong> am relevantesten waren bzw. sind. Dies entspricht<br />

letztlich einer einfachen hermeneutischen Regel: Man muss den Entstehungszusammenhang<br />

beachten. Allerdings ist diese Regel in unserem<br />

Zusammenhang methodisch zugespitzt auf die Erfahrung von Kontingenz.<br />

Unsere Feststellungen zur Krisen- bzw. Kontingenzerfahrung treffen<br />

sich mit folgender Beobachtung Richard Niebuhrs: „The character of a<br />

religious movement is probably more decisively determined by its definition<br />

of sin from which salvation is to be sought than by its view of that<br />

saving process itself. The primary question... is this: ... from what did they<br />

want to save men?“ (Niebuhr: Denominationalism 67). Erst in diesem Interpretationszusammenhang<br />

von krisenhaft erfahrenen Lebensbedingungen<br />

geben die Gottes- 67 und Paradiesvorstellungen (Lang/McDonnel: Himmel)<br />

eine Auskunft über den kontextuellen Sinn der religiösen Systeme. Auf<br />

diesem Hintergrund können Religionen (und somit auch Ausprägungen<br />

des Christentums) als „soteriologische Systeme“ (Ohlig: Fundamentalchristologie<br />

20) bezeichnet werden.<br />

67 Vgl. Kayales: Gottesbilder. Es ist sehr signifikant, dass in allen drei Beispielinterviews die<br />

Frauen im Gruppengespräch ihre Gottesbilder selbst von einer persönlichen Krisenerfahrung<br />

her aufschlüsseln. Vgl. 151 ff. und 173 ff.; 197 ff.; 247 (der Vater als Trunkenbold).<br />

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