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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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keiten, sich selbst gegenüber den praktischen Anforderungen zu verstehen<br />

und anders zu handeln. Wenn man Neues unpathetisch als Neu-Beschreibung<br />

der Wirklichkeit durch Akteure auffasst, so wird man es weder als<br />

diskontexutuell verstehen noch als völlig determiniert von alten Strukturen.<br />

Die „neue Schöpfung“ ist immer noch Schöpfung, der „neue<br />

Mensch“ ist noch Mensch, ebenso wie das „neue Gottesvolk“ noch Gottesvolk<br />

ist. Aus gutem Grund haben die Kirchenväter die gnostische<br />

Beschreibung des Neuen als des gänzlich Fremden abgelehnt. (Moltmann:<br />

Neu 726) Neu-Beschreibungen müssen mit dem Vorhandenen arbeiten.<br />

Aber sie wandeln es um und unterscheiden sich von ihm. 144 Die praktische<br />

Logik nutzt Brüche, Paradoxien und Unstimmigkeiten ebenso wie die<br />

Offenheit von Metaphern und Homologien zwischen verschiedenen<br />

<strong>Praxis</strong>feldern, um bei Bedarf neue Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmöglichkeiten<br />

hervorzubringen. Aus praxeologischer Sicht kann man<br />

dementsprechend das Neue als das Resultat der unwahrscheinlichsten aller<br />

möglichen Kombinationen aus den vorhandenen subjektiven Dispositionen<br />

und objektiven Chancen bezeichnen – ähnlich wie Jazzmusiker in den<br />

Regeln der Kunst operieren und darin Improvisationen hervorbringen,<br />

deren Originalität in einer gleichfalls unerwarteten und doch möglichen<br />

Variation liegt.<br />

Von dieser Auffassung des Neuen her legt sich ein bestimmter Begriff<br />

der Offenbarung des Evangeliums nahe. Die Besonderheit ist, dass er nicht<br />

dabei stehen bleibt zu sagen, dass uns das Neue Testament „anredet, aufruft,<br />

uns das von ihm Gesagte zusagt“ (Barth: KD IV 2, 338). Dieser Offenbarungsbegriff<br />

klärt die Erfahrungsgrundlage der Zusage des Evangeliums.<br />

Von ihm her versteht man die Erfahrung sowohl als Bedingung der Möglichkeit<br />

von Zuspruch und Anspruch wie auch als Bedingung des spezifischen<br />

Gehalts von beidem. Diese Auffassung von Offenbarung hält also<br />

den barthschen Akzent auf der Externität von Offenbarung fest, vermeidet<br />

aber ein Abdriften in eine leere Offenbarungsmetaphysik, indem sie<br />

Offenbarung hermeneutisch versteht. Offenbarung ist – in dieser von<br />

Eberhard Jüngel erarbeiteten Auffassung – Unterbrechung, und zwar heilsa-<br />

besondere für die <strong>Theologie</strong> und ihre Anfälligkeit für den Platonismus bieten beide Positionen<br />

wohlfeile Anknüpfungspunkte für die Besetzung des „Neuen“ mit „Gott“ bzw.<br />

„Offenbarung“. Solche Lösungen scheinen mir zu einfach.<br />

144 Vgl. Rorty: Kontingenz, und ähnlich Kuhn: Revolutionen, oder aus phänomenologischer<br />

Sicht Waldenfels: Logos 95 ff., der ebenfalls betont, dass Neues nicht diskontextuell entsteht,<br />

aber dennoch als ein produktiver Akt begriffen werden kann.<br />

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