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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Theologin zum Beispiel kann ihre Kenntnis bestimmter theologiegeschichtlicher<br />

Daten im Gehirn gespeichert haben oder sie aus Nachschlagewerken<br />

beziehen, zu denen sie Zugang hat; in beiden Fällen kann<br />

sie die Kenntnisse einsetzen, um etwas Drittes zu erreichen. Für die religiöse<br />

<strong>Praxis</strong> sind beide Subsistenzweisen religiösen Kapitals wichtig. Die<br />

Verfügungsgewalt über und der Einsatz von heiligen Orten und Dingen –<br />

zum Beispiel „heiligen Pforten“, „heiligen Stiegen“ oder Wallfahrtsorten –<br />

kann eine wichtige Funktion in der Mobilisierung von Anhängern für eine<br />

Position des religiösen Feldes haben und damit für das relative Gewicht,<br />

welches diese Position im Feld gewinnt. Dasselbe gilt für die Sakralisierung<br />

von Handlungen. Im Blick auf die religiöse Nachfrage von bestimmten<br />

Gruppen – und damit wiederum für die Mobilisierung von Anhängern –<br />

kann es von großer Bedeutung sein, dass die Eucharistie wirklich (im sakramentalen<br />

Sinne) heilig ist und nicht nur eine „bloße“ Erinnerung; oder<br />

dass Dämonen wirklich sind und die Bibel ein heiliges Buch, dessen Berührung<br />

die Dämonen zum Ausfahren zwingt. Und natürlich sind auch verbriefte<br />

Rechte ein objektiviertes Kapital, wie zum Beispiel das Recht,<br />

<strong>Theologie</strong> an staatlichen Fakultäten unterrichten zu können. Mit allen<br />

diesen Praxen geht die Inkorporierung relevanten Wissens, affektiver<br />

Einstellungen und Weisen leiblichen Auftretens 170 der religiösen Spezialisten<br />

einher. Es bilden sich entsprechende Habitus aus, die wiederum in die<br />

Hervorbringung neuer <strong>Praxis</strong> münden und sogar dann noch überdauern<br />

können, wenn etwa heilige Orte schon durch bolschewikische Truppen<br />

geschleift worden sind. Das Vorhandensein objektiver religiöser Kapitalien<br />

geht so in die Wahrnehmungs-, Urteils- und Handlungsweisen von Kirchenleuten<br />

und Theologen ein als die Orientierung und Begrenzung des<br />

Gedachten und des Denkbaren, des Erwünschten und des zu Verurteilenden;<br />

kurz: als implizite Regulative von religiösen und theologischen Strategien.<br />

Der Einsatz religiöser Dinge und Handlungen sowie religiösen Wissens<br />

läuft auf den Erwerb symbolischen Kapitals hinaus. Für einen Pastor ist<br />

es bekanntermaßen günstig, möglichst viele Bibelstellen auswendig zu<br />

kennen und nicht erst nachschlagen zu müssen. Das steigert die Anerkennung,<br />

welche er als religiöser Experte genießt, bzw. sein symbolisches<br />

Kapital. Das symbolische Kapital ist eine ganz spezifische Kapitalform<br />

und hat für religiöse <strong>Praxis</strong> eine besondere Bedeutung. Anders als andere<br />

170 Man stelle sich einen Metropoliten im Tennisdress oder einen <strong>Theologie</strong>professor mit<br />

Tiara vor!<br />

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