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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Strukturen da ist“ (Ricoeur: Hermeneutik 69), und dass Letztere Überbau der<br />

Ersteren sind. Der spezifische Beitrag aber, den Lévi-Strauss zur marxschen<br />

Theorie des Überbaus geben möchte, liegt nun vor allem darin, den Überbau als<br />

ein System herauszuarbeiten. Dieses System baut auf konstitutive, paarweise<br />

gruppierte Einheiten auf und treibt die „Dialektik des Überbaus“ dadurch voran,<br />

dass es selbst (als System) „die Rolle des die Synthese zwischen Idee und Tatsache<br />

Vermittelnden spielen und die letztere wieder in ein Zeichen verwandeln wird. Der<br />

Geist geht auf diese Weise von der empirischen Vielfalt zur begrifflichen Einfachheit<br />

über, und dann von der begrifflichen Einfachheit zur bezeichnenden<br />

Synthese.“ (Lévi-Strauss: Denken 155) Indem in die Analyse dieses vermittelnden<br />

Systems von Zeichen das Erbe der strukturalistischen Linguistik einfließt und<br />

kreativ weiterentwickelt wird, kommt eine mit dem Zeichenbegriff, der Homologie,<br />

der Kommutation usw. virtuos operierende Analytik zustande, auf die auch<br />

Bourdieu zu analytischen Zwecken aufbaut – freilich auf der Grundlage einer<br />

vollständig anderen Vermittlung von Zeichen und Handeln.<br />

Das Problem dieses Ansatzes liegt darin, dass Lévi-Strauss sich die Vermittlung<br />

von <strong>Praxis</strong>, Struktur und Praktiken als alleiniges Werk des Geistes denkt, ohne in die<br />

konkreten Bedingungen der <strong>Praxis</strong> eingebundene Akteure. Dass aber sogar die<br />

Person Claude Lévi-Strauss selbst sehr wohl in dieser Theorie vorkommt, wird<br />

deutlich in einem Gespräch mit Fritz Raddatz von Die Zeit. Hier nimmt der Strukturalist<br />

Stellung zu folgendem Zitat seiner selbst, das der Interviewer ihm vorlegt:<br />

„Jeder von uns ist eine Art Straßenkreuzung, auf der sich Verschiedenes ereignet.<br />

Die Straßenkreuzung selbst ist völlig passiv...“ (Raddatz/Lévi-Strauss: Gespräch)<br />

Das Subjekt, der Akteur fehlt demnach in der Theorie völlig. Lévi-Strauss bestätigt<br />

dies und begründet u.a. wie folgt: „Mein ganzes Denken ist geprägt vom Fehlen<br />

des Gefühls persönlicher Identität.“ (ibd.) Damit ist der Akteur Lévi-Strauss aber<br />

deutlich da, und zwar als jemand, dessen persönliche affektive Kapazität über die<br />

Gestalt einer vermeintlich allgemeingültigen Theorie entscheidet. So viel zum<br />

Akteur Lévi-Strauss.<br />

Die philosophiegeschichtliche Positionsbestimmung seiner subjektlosen<br />

Systemtheorie der Zeichen nimmt Lévi-Strauss wie folgt vor: „Wir erkennen<br />

diesen Aspekt unseres Versuchs vortrefflich bei Paul Ricoeur wieder, wenn er ihn<br />

mit Recht als ‚Kantianismus ohne transzendentales Subjekt‘ qualifiziert. Weit<br />

entfernt jedoch, dass uns die Beschränkung eine Lücke zu signalisieren scheint,<br />

sehen wir darin, auf philosophischer Ebene, die unvermeidliche Konsequenz der<br />

Wahl, die wir mit einer ethnographischen Perspektive getroffen haben: da wir uns<br />

auf die Suche nach den Bedingungen begeben haben, in denen die Wahrheitssysteme<br />

wechselseitig umkehrbar und folglich für mehrere Subjekte gleichzeitig<br />

annehmbar werden können, gewinnt die Gesamtheit dieser Bedingungen den<br />

Objektcharakter, der mit einer eigenen Realität ausgestattet und unabhängig von<br />

jedem Subjekt ist. ... Wir behaupten also nicht, zeigen zu können, wie die Menschen<br />

in Mythen denken, sondern wie sich die Mythen in den Menschen ohne<br />

deren Wissen denken.“ (Lévi-Strauss: Mythologica I 25, 26) Lévi-Strauss sieht die<br />

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