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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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die Hervorbringung von <strong>Theologie</strong> ist. Der Individualismus kann vor<br />

allem bei einem emanzipatorischen Grundansatz in einen Freiheitsenthusiasmus<br />

umschlagen, der die Vermittlungsfähigkeit des eigenen theologischen<br />

Ansatzes mit anderen – kulturell unterschiedlichen – nicht mehr in<br />

Erwägung zieht.<br />

Wenn man das Subjekt (oder das Individuum) als den unhintergehbaren<br />

Ursprung der Gesellschaft ansieht, geschieht dies immer wieder mit<br />

der Emphase, seine „besondere Würde“ zu unterstreichen. Das Individuum<br />

bzw. Subjekt wird dann als letztgültiger Wert aller theologischen und<br />

ethischen Urteilsbildung hervorgehoben und, ex negativo, wird „Kollektivismus“<br />

als menschenfeindliche Ideologie konnotiert. Auf den ersten Blick<br />

wirkt so eine Betonung der Würde des Subjekts bzw. des Individuums<br />

erfreulich. Doch ihr liegt die Vermischung von deskriptiver und normativer<br />

Perspektive zugrunde. Wenn man die Beschreibung der Zustände<br />

ausgehend vom Individuum vornimmt, garantiert das keineswegs seine<br />

Würde. Man praktiziert lediglich einen impliziten oder expliziten methodologischen<br />

Individualismus. Ganz scharf zugespitzt: Der homo oeconomicus hat<br />

keine Würde; er ist Funktion eines Modells, in dem Würde überhaupt<br />

keine Rolle spielt. Ein homo theologicus ohne Lebenskontext ist nicht weniger<br />

ein theoretisches Abstraktum. Wenn man umgekehrt die Beschreibung<br />

von den gesellschaftlichen Bedingungen menschlichen Lebens aus beginnt,<br />

heißt das noch lange nicht „Kollektivismus“. Vielmehr kann hier die<br />

Würde der Menschen in ihrer Entfaltung oder ihrer Vernichtung gerade<br />

erst in den Blick kommen. Welches ethische Urteil dann gefällt wird,<br />

obliegt wiederum nicht allein der Beschreibung. Für die christliche <strong>Theologie</strong><br />

ergibt es sich aus den Aussagen der Bibel über Gott und die Menschen<br />

in Relation zum Beschriebenen. Kurz: die Annahme, das Subjekt sei der<br />

Ursprung der gesellschaftlichen Wirklichkeit, tendiert vielmehr gerade<br />

dahin, zu verschleiern, wodurch geschichtlich gewordene objektive Umstände<br />

die Würde des Einzelnen unter konkreten Umständen verletzt wird<br />

und wo sie sich entfalten kann. Theologisch gesehen behindert ein individualistischer<br />

oder subjektivistischer Ansatz in der Beschreibung also eher<br />

die Erarbeitung relevanter theologischer Normen im Blick auf die Würde<br />

des Menschen.<br />

Ein schwerwiegendes Problem liegt meines Erachtens auch im subjektivistischen<br />

Voluntarismus. Ist das Subjekt der Ursprung der Sozialwelt und<br />

überdies noch im Glauben befreit, so mag man geneigt sein, seine Freiheit<br />

als grenzenlos aufzufassen und seinen Willen eben darauf auszurichten. In<br />

freier Negation von konstatierten Missständen werden dann utopische<br />

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