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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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war ja auch nicht nur eine theologische Angelegenheit. Was aber lösen –<br />

theologiespezifisch – solche Veränderungen aus?<br />

Kontextuell entstandene Grundunterscheidungen strukturieren nicht nur<br />

die aus ihnen selbst hervorgebrachten praktischen Logiken und damit die<br />

Zeichensysteme. Sie generieren auch praxisbedingte Transformationen<br />

von Sinn. Sie passen bereits objektiviert vorliegende Zeichensysteme, wie<br />

etwa Texte, ihrer Logik an.<br />

Dies geschieht zum Beispiel bei der Auslegung von Bibeltexten. Ob es sich<br />

hierbei um bloße Anpassung oder um einen kritischen Bezug zwischen<br />

Bibel und praktischer Logik handelt, ist für kontextuelle <strong>Theologie</strong> von<br />

entscheidender Bedeutung. Hieran hängt die kritische Kompetenz von<br />

<strong>Theologie</strong>. An dieser Stelle kommt es erst einmal darauf an zu zeigen, dass<br />

man sich mit praxeologischem Vokabular diesem Problem stellen kann.<br />

<strong>Theologie</strong> erzeugt kritische Normativität im Allgemeinen durch Rückgriff<br />

auf Bibeltexte. Die Predigt ist ein typischer Ort für Auslegung von<br />

Texten mit dem Blick auf kritische Normativität. Betrachten wir also hier<br />

als Beispiel die Predigt eines Kirchenvorstehers – ein indianischer Tagelöhner<br />

aus einer ländlichen Gemeinde der o.g. pfingstlichen etablierten Religionsgemeinschaft.<br />

Dessen Dispositionen der Wahrnehmung und des<br />

Urteils sind strukturiert durch die o.g. praktische Logik apokalyptischer<br />

Art. Eine sehr wichtige sekundäre Unterscheidung in dieser Logik ist die<br />

zwischen Kirche und Welt. Diese ist – als Unterscheidung zwischen Christen<br />

und Nichtchristen – präsent in seiner Auslegung der Seligpreisungen<br />

und Weherufe der Bergpredigt (Lukas 6, 20-26), die er in einer Predigt<br />

vorträgt. Die Güter, so sagt der Prediger, die ein Reicher heute besitzt und<br />

die ihn glücklich machen, „werden ihn nicht retten, wenn er sich Christus<br />

nicht übereignet. (...) Auch die jungen Männer und die jungen Mädchen,<br />

Brüder! – kämpfen wir dafür, Jesus Christus zu dienen! (...) So werden wir<br />

dieses Geschenk sehen, diesen Ehrenpreis, den Gott für uns hat! (...) Und<br />

sorgen wir dafür, das zu tun, was er uns gelehrt hat: nicht den Blick auf<br />

den Menschen zu richten, dem es gut geht in seinem Leben, der Gott nicht<br />

dient. Richten wir unseren Blick nicht auf ihn oder auf sie, denn sie haben<br />

keine Entschädigung. Aber alle, die kämpfen, um Christus zu folgen,<br />

haben eine große Entschädigung.“ (Rede 8)<br />

Mit der Unterscheidung zwischen Christen und Nichtchristen schafft der<br />

Prediger – gegenüber der Grunddifferenz im lukanischen Text – eine neue<br />

Logik in seiner Predigt. Er beseitigt, indem er eine neue Differenz setzt,<br />

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