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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Indem die Akteure sich und ihre Welt in den religiösen Praxen (auf<br />

eine veränderte Weise) erkennen und diese Sicht der Dinge anerkennen,<br />

können sie die Fertigkeit entwickeln, die entsprechende praktische Logik<br />

zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten nutzbar zu machen.<br />

Zugleich werden die Akteure in die Lage versetzt, im religiösen Feld<br />

symbolisches Kapital zu akkumulieren, das heißt Anerkennung zu erwerben.<br />

Symbolisches Kapital ist (anders als andere, inhaltlich definierte Kapitalformen)<br />

einfach Anerkanntsein. Insbesondere die „Propheten“, 85 die den<br />

etablierten, „orthodoxen“ religiösen Systemen heterodoxe Alternativen<br />

entgegenhalten, wären ohne die Fähigkeit zu neuer und überzeugender<br />

Wertung nicht in der Lage, überhaupt Fuß zu fassen im religiösen Feld;<br />

denn „die Fähigkeit, zu formulieren und zu benennen, was die geltenden<br />

religiösen Systeme ins Reich des Unausgesprochenen und des Unsagbaren<br />

verbannen, und so die Grenze des Gedachten und des Ungedachten, des<br />

Möglichen und des Unmöglichen, des Denkbaren und Undenkbaren zu<br />

verschieben..., stellt das Startkapital dar, welches es dem Propheten erlaubt,<br />

eine mobilisierende Wirkung auf eine hinreichend mächtige Fraktion von<br />

Laien auszuüben“ 86 . Propheten müssen das Ungewöhnliche, das die habitualisierten<br />

Wahrnehmungsschemata zerbricht, metaphorisch darstellen<br />

und daraus Praktiken erschließen, die im Blick auf eine im Allgemeinen<br />

zunächst nicht religiöse Ausgangslage relevant sind; kurz: sie müssen in der<br />

Lage sein, aus der Kritik eine mindestens für eine Gruppe relevante praktische<br />

Logik hervorzubringen. So gewinnen sie Anerkennung durch andere,<br />

welche wiederum eine weitere Aktionsbasis darstellt. Sie akkumulieren<br />

symbolisches Kapital durch situationsadäquaten Einsatz religiösen Kapitals<br />

(also etwa Erlösungswissens). Ereignen sich diese Prozesse des Erkennens-,<br />

Anerkennens und Wiedererkennens anfänglich relativ spontan in<br />

den verschiedenen Relationen zwischen Kontextanforderungen und religiösem<br />

Angebot, so kommt es mit der Zeit zu einer „Routinisierung“ und<br />

„Institutionalisierung“ (Weber). Religiöses Kapital akkumuliert sich um die<br />

Person des Propheten. Dies geschieht durch die Anhäufung von Objekten,<br />

wie etwa Büchern, Kleidung oder auch Reglements oder Institutionen etc.<br />

Und es geschieht durch Inkorporierung, als immer größere Sicherheit im<br />

Klassifizieren und im Handeln gemäß den Anforderungen an prophetische<br />

85 Zur Terminologie von Propheten, Priestern, Magiern sowie heterodoxen, orthodoxen,<br />

doxischen und allodoxen Positionen im religiösen Feld vgl. Bourdieu: Weber (dt. Bourdieu:<br />

Interpretation), sowie Max Weber: Wirtschaft 259 ff., 268 ff.<br />

86 Bourdieu: Génese 331 (eigene Übersetzung).<br />

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