02.12.2012 Aufrufe

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

praktischen Gestalt verhilft. Auf diese Weise wird durch die Analyse Maasers eine<br />

in der Sozialisation erworbene Persönlichkeitsstruktur (die harte Abgrenzung des<br />

rigiden und gepanzerten autoritären Eigenen/Innen gegen ein als Nicht-Ich/Gefahr<br />

erfahrenes Außen) sichtbar als ein wichtiges Strukturprinzip der künnethschen<br />

<strong>Theologie</strong>; ein Strukturprinzip, welches sich über die Grenzen zwischen den<br />

verschiedensten Feldern der <strong>Praxis</strong>, Reflexion und Metareflexion hinweg als<br />

homologe Struktur in immer neuen Begriffen immer wieder erscheint.<br />

Maaser resümiert: „Man kann davon ausgehen, dass Theologenbiographien<br />

zeigen, wie verschiedene Formen der Erfahrungsverarbeitung mit theologischen<br />

Konzepten in Verbindung stehen, und zwar selbst dann, wenn der systematische<br />

Entwurf sich als ‚erfahrungskritisch‘ präsentiert.“ Bei genereller Zustimmung<br />

müßte man meines Erachtens hier dennoch schärfer zuspitzen: nicht: „und zwar<br />

selbst dann“, sondern: und zwar gerade dann... Nach allem, was Maaser über<br />

Künneth herausgearbeitet hat, zeigt sich doch u.a. dies: Es ist gerade der objektivistische<br />

Anspruch einer distanzierten, erfahrungsunabhängigen und normativen<br />

Geschichtsschau, der zugleich Künneths Position einer – von der geschichtlichen<br />

Erfahrung des Dritten Reiches her zu entwerfenden – Kritik enthebt und seiner<br />

autoritären Persönlichkeitsstruktur auf dem Felde der wissenschaftstheoretischen<br />

Verortung seines theologischen Ansatzes homolog entspricht. Ein erfahrungsdistanzierter<br />

theologischer Entwurf – der seine materialen Aussagen aus objektivistischen<br />

Operationen herleitet, die sich ja bewusst von der Erfahrung der Akteure<br />

distanziert halten – steht meines Erachtens immer eher in der Gefahr, von den<br />

stillschweigenden Voraussetzungen des eigenen Denkens eingeholt zu werden, als<br />

ein Entwurf, der auf Erfahrung kritisch reflektiert; und zwar weil jener, wie Bourdieu<br />

sagen würde, die „Objektivierung nicht objektiviert“, also das Verhältnis des<br />

Theologen zum entworfenen System nicht zum Gegenstand der (hermeneutischen)<br />

Reflexion macht. Damit bleiben die Theologen als erfahrende und handelnde,<br />

vor allem aber als <strong>Theologie</strong> produzierende Akteure außerhalb des Blickfeldes.<br />

Das befreit natürlich von zusätzlicher Reflexionsarbeit und ermöglicht zugleich,<br />

den „theologischen Ort“ des christlichen Subjekts, und damit des Theologen<br />

selbst, deduktiv als einen idealen Ort, frei von jeglicher kontextueller Unreinheit<br />

aus der Logik des entworfenen Systems heraus zu bestimmen. Bei Künneth liest<br />

sich das so: „Als freier Mensch muß ‚die christliche Persönlichkeit bezeichnet<br />

werden, in der sich die Theonomie als Begründung der innersten Freiheit durchgesetzt<br />

hat‘.“ 16 So zaubert sich der Denker mit demselben Kunstgriff, mit dem er<br />

sich selbst hinter dem blickdichten Vorhang des objektivierten Systems ewiger<br />

Wahrheiten verschwinden lässt, alsbald auch wieder hervor: verwandelt in ein<br />

absolutes, ein freies Subjekt, dessen Absolutheit in der „Theonomie“, der normativen<br />

Absolutheit des Systems selbst, begründet ist. Ein solcher Anspruch auf<br />

16 Künneth: Der große Abfall. Eine geschichtstheologische Untersuchung der Begegnung zwischen<br />

Nationalsozialismus und Christentum. Hamburg 1947, S. 117, zit. nach Maaser: Identität 235.<br />

52

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!