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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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sondern von ihrem Ort in der <strong>Praxis</strong> her versteht? Und schließlich, was<br />

besagt denn Glaube im Blick auf die Konstitution von religiöser, kultureller,<br />

sozialer und persönlicher Identität?<br />

Ein wichtiges Problem scheint mir zu sein, dass viele implizite Axiome des<br />

theologischen Denkens das Verhältnis von Glaube und Leben nicht<br />

hinreichend zu erfassen erlauben; jedenfalls nicht genügend konkret, um<br />

sinnlich menschliche Tätigkeit mit dem Glauben so zu verbinden, dass<br />

Glaube auch als eine Lebensform erkennbar wird und Leben dabei nicht<br />

abstrakt bleibt oder dass nicht einzelne Fragestellungen nur isoliert in<br />

speziellen Anwendungs-Disziplinen (wie etwa der Pastoralpsychologie) zu<br />

behandeln wären.<br />

Die praxeologische Theorie des Habitus (nicht die scholastische) bietet<br />

meines Erachtens einen brauchbaren Erklärungszusammenhang. Von ihr<br />

her lässt sich viel präziser von den Umständen reden, unter denen Glaube<br />

gelebt wird. Und insbesondere, wenn man das Modell des Netzwerks von<br />

Dispositionen verwendet, kann man eine weitreichende Erklärungskapazität<br />

mit recht großer (theoretischer oder auch empirisch gewonnener)<br />

Detailgenauigkeit verbinden.<br />

Zunächst zum Glauben: Luther hat seinen Gnaden- und seinen Glaubensbegriff<br />

in expliziter Zurückweisung des scholastischen Habituskonzepts<br />

entwickelt. Die Vorstellung von im Menschen substanziell inkorporierter<br />

Gnade war völlig unvermittelbar mit seinem relationalen Konzept<br />

von Gnade und Glaube. 182 Rechtfertigende Gnade wird von Gott zugesprochen;<br />

sie ist und bleibt dem Menschen äußerlich. Sie besteht in der<br />

Relation zwischen Gott und Mensch selbst und definiert den ganzen<br />

Menschen zugleich als Gerechten und Sünder. Der als Gnadensubstrat<br />

gedachte scholastische Habitusbegriff fällt nun weg. Damit ist zwar das<br />

ontologische Bindeglied zwischen dem von Gott relational geschaffenen<br />

Glauben und den Werken verloren. Aber das hindert Luther nicht daran,<br />

im Blick auf die Werke im Glauben typische Habitusfunktionen wie etwa<br />

Spontaneität zu beschreiben: „...des Glaubens voll tun sie Gutes, ohne es<br />

sich vorzunehmen“ 183 . Der Verlust der Habitus-Kategorie für die theologische<br />

Anthropologie und Glaubenslehre kann aber systematisch-theologisch<br />

nicht wettgemacht werden. Deshalb wird der Begriff schon von der<br />

182 Zum Folgenden vgl. Nickl: Ordnung 117 ff.<br />

183 Über das erste Buch Mose (1527), WA 14,111, zitiert nach Nickl: Ordnung 129, eigene<br />

Übersetzung.<br />

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