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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Alltagserfahrung hinaus und darauf hin weist, dass die Gesamtheit von<br />

allem Existierenden möglicherweise „ein Ganzes“, im Sinne einer Sinnganzheit,<br />

ist. Das Staunen verweist auf die Möglichkeit einer Sinnganzheit,<br />

stellt aber „das Ganze“ nicht dar. Staunen unterbricht vielmehr die Alltagserfahrung;<br />

genauer: es unterwirft die Kontinuität der Alltagserfahrung<br />

einer Irritation. Es ist aber nicht ein per se religiöses Erlebnis (nur weil die<br />

Staunen erregenden Phänomene etwa in der Terminologie Rudolf Ottos<br />

als Mirum und Erscheinung des Heiligen interpretierbar sind).<br />

Wenn Religionswissenschaft und <strong>Theologie</strong> einander nützen sollen,<br />

ohne dass die Erstere zum <strong>Theologie</strong>-Ersatz und Letztere zu einer schlechten<br />

Religionswissenschaft wird, sollte man es meines Erachtens gerade<br />

vermeiden, beide in einer Erlösungswissenschaft zusammenzubinden, die<br />

Erfahrungen oder Gemütszustände positiv als Erscheinungsformen bzw.<br />

Wirkungsformen „des Heiligen“ festzumachen sucht – „Erlösungswissenschaft“<br />

allenfalls in dem Sinne, dass es in Religionen meist um Erlösung<br />

geht. Im Blick auf gegenseitigen Nutzen optiere ich mit Andreas Grünschloß<br />

(Überschneidungen 127) für eine „gegenseitige Beziehung der beiden<br />

Forschungsrichtungen, ohne in irgendeiner Weise ihre Vermischung zu<br />

propagieren“.<br />

In diesem Rahmen ist praxeologisches Vokabular für Religionswissenschaft<br />

und <strong>Theologie</strong> lediglich ein Hilfsmittel, das es erlaubt, den einen<br />

oder anderen Aspekt von religiösen Systemen zu rekonstruieren, der mit<br />

einem anderen wissenschaftlichen Sprachspiel nicht erfassbar wäre. Die<br />

praxeologische Rede von Religion verhilft dazu, die durch die menschliche<br />

Vergesellschaftung vorgegebenen allgemeinen <strong>Praxis</strong>zusammenhänge von<br />

Religion und <strong>Theologie</strong> zu klären und auf religiöses und theologisches<br />

Wahrnehmen, Denken und Handeln zu beziehen. Der religionswissenschaftlichen<br />

Arbeit dient eine solche Grammatik religiöser (und theologischer)<br />

<strong>Praxis</strong> als heuristisches Instrument und als Hilfe zur Selbstkritik;<br />

insbesondere im Blick auf die Kritik von Universalitätspostulaten partikularer<br />

<strong>Praxis</strong> und die Suche nach praktischen Möglichkeiten allgemeiner<br />

Verständigung.<br />

Interessant ist nicht das, was „dahinter“ liegt, „das Ganze“ als solches,<br />

„das Absolute“ an sich, die universale Begründung der Wahrheit von<br />

Religion. Versuche, all dies zu bestimmen, sind von ihrer eigenen praktischen<br />

Logik bereits orientiert und begrenzt und setzen ihre Ergebnisse<br />

schon voraus. Und da die „breite Kenntnis des Besonderen uns häufig<br />

klüger macht als der Besitz allgemeiner Formeln“ (James: Vielfalt 35), wird<br />

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