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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Die praktische Logik nimmt die Metaphern einfach beim Wort und erzeugt<br />

sich so eine kleine Metaphysik für den Alltag. 149 Sie objektiviert die<br />

religiösen Zeichen und schafft sich heilige Räume und Dinge, über die die<br />

jeweiligen Akteure Macht ausüben. 150 Dies gehört zur Logik der gesellschaftlichen<br />

Kämpfe, welche auch religiöse <strong>Praxis</strong> nicht ausnimmt. Praxeologische<br />

Interpretation lässt sich vom Schein der Tiefe metaphysischer<br />

Behauptungen nicht beeindrucken; sie nimmt sie vielmehr beim metaphysischen<br />

Wort, nur dass sie dieses selbst von seinem Gebrauch her als<br />

praktische Strategie versteht.<br />

Die implizite Realitätsannahme ist einfach eine Bedingung für die<br />

Mobilisierung von Menschen, deren Bewusstsein metaphysisch denkt. In<br />

den praktischen Logiken, aus denen religiöse und theologische Diskurse<br />

und Praktiken hervorgehen, geht es in erster Linie nicht um theoretische<br />

Annahmen, sondern um Fragen praktischer Dringlichkeit – wenn auch<br />

nicht immer gleich um Leben und Tod. Die Realitätsannahme geht als<br />

Wirkungsbedingung der Zeichen in die Auseinandersetzung mit anderen<br />

Positionen des gesellschaftlichen Raumes mit ein: Von ihr hängt die Wirkkraft<br />

praktischer Operatoren (wie etwa Metaphern) ab, wenn es etwa<br />

darum geht, Menschen für eine „Sache“ zu mobilisieren oder auch an<br />

politisches, religiöses oder ökonomisches Kapital zu kommen, einfach zu<br />

überleben oder auch „Schätze im Himmel zu sammeln“. Es ist deshalb<br />

vollkommen klar, dass religiöse Akteure nicht dazu neigen, die Kontingenz<br />

und Relativität ihrer eigenen Position wahrzunehmen und die spezifischen<br />

Operationsweisen der praktischen Logik zu erklären. Dies hieße ja, durch<br />

Objektivierung der Funktionsweisen der praktischen Logik ihr Funktionieren<br />

einzuschränken und sich etwaigen Konkurrenten gegenüber ohnmächtig<br />

zu machen. <strong>Theologie</strong> aber sollte mit dem Wissen um die Funktion der<br />

praktischen Realitätsannahmen selbstkritisch umgehen.<br />

Die sinnerzeugende Arbeit der Metaphern scheint das Feld par excellence zu<br />

sein für die Hervorbringung von <strong>Theologie</strong>. Das ist zwar richtig, aber<br />

theologische Selbstkontrolle ist zu empfehlen. Gerade aufgrund der<br />

theologischen Produktivität der Metapher gebietet sich meines Erachtens<br />

eine besondere Vorsicht, um nicht den Versuchungen wohlfeiler Allegorie-<br />

mit zu übernehmen. Vgl. Jüngel: Wahrheit 136 f.<br />

149 Metaphysik ist nach Hans Blumenberg „beim Wort genommene Metaphorik“ (zit.<br />

nach Weinrich: Metapher 1182).<br />

150 Zu diesem Objektivierungsvorgang vgl. Ricoeur: Interpretation 541 f.<br />

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