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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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intellektualistische Intuition, sondern leistet die Vermittlung einer Vermittlung:<br />

Die Reflexion vermittelt in der Rückwendung auf das Selbst den Akt der Selbstvermittlung,<br />

welchen das Ich – sich als Selbst konstituierend – vollzieht, indem es<br />

aus der ersten, aber abstrakten und leeren Wahrheit des „Ich bin, ich denke“<br />

hinaustritt und sich in die „Vorstellungen, Handlungen, Werke, Institutionen und<br />

Denkmäler“ (57) hinein objektiviert, indem es eben diesen Prozess erkennt. Für<br />

das reflexive Erkennen – und zwar auch für das Denken des sich als Selbst konstituierenden<br />

Subjekts – ist folglich die Wahrheit des „Ich bin, ich denke“ nicht<br />

unmittelbar zugänglich. Sie kann von nirgendwo anders her beschrieben werden<br />

als nur von den Objektivierungen des Ich her. Hier muss es nun aber zu einem<br />

Bruch mit der subjektivistischen Illusion der Voraussetzungslosigkeit des sich<br />

objektivierenden Subjekts kommen. Das Subjekt ist in vielerlei Hinsicht immer<br />

schon vom Prozess der Hervorbringung und Selbstreproduktion objektiver<br />

Lebensbedingungen bestimmt, seien es nun die unbewusst wirksamen psychologischen,<br />

sprachlichen (vgl. Ricoeur: Hermeneutik 137 ff.) oder gesellschaftlichen<br />

Strukturen. Diese bestimmen folglich auch die Möglichkeitsbedingungen der<br />

Reflexion; des Aktes also der Konstitution des Selbst und, darüber hinaus, des<br />

Aktes der Reflexion dieser Konstitution in der Reflexionsphilosophie. Die transzendentale<br />

Logik (die, wie Ricoeur sagt, in der Interpretation der Symbole auf die<br />

Begriffe aus ist, welche bestimmten Erfahrungs- und Realitätstypen zugrunde<br />

liegen) kann demnach zunächst einmal als ein Versuch mit folgendem Interesse<br />

aufgefasst werden: Die mit dem Doppelsinn der Symbole virtuos operierende<br />

Logik der gesellschaftlichen <strong>Praxis</strong> soll als Bedingung der Möglichkeit der sinnhaften<br />

Konstitution des Subjekts begriffen werden – als gesellschaftliches a-priori<br />

gewissermaßen.<br />

An den sinnproduzierenden Kreuzungspunkten des symbolischen und materiellen<br />

Reproduktionssystems, den Symbolen, können dann die Begriffe festgemacht<br />

werden, die den jeweiligen Erfahrungs- und Realitätstypus auf den unterschiedlichen<br />

Ebenen seiner Realisierung am besten kennzeichnen. In semiotischer Sprache:<br />

es geht um die Verankerung der paradigmatischen Zeichenrelation in der<br />

syntagmatischen Relation sowie in der Relation des Zeichens zum Subjekt des<br />

Sagens und Zeigens und zum Deutenden (Interpretanten), auf den das Sagen und<br />

Zeigen des Symbols wirkt. Erst wenn dies geschehen ist, kann eine Interpretation<br />

des beschriebenen Gesamtkomplexes der gesellschaftlichen Konstitution des<br />

Selbst auf das Transzendente, das Heilige etc. hin erfolgen, ohne dass die intuitionistische<br />

Abkürzung des Denkens sich gleich als breite Prachtstraße der erahnten<br />

Gewissheiten auftäte.<br />

Ich möchte festhalten: Selbst in Ricoeurs recht subjektivistischer Hermeneutik<br />

erschließt der Doppel- bzw. Mehrfachsinn des Symbols die „Tiefe des Daseins“<br />

eben nicht dadurch, dass er sozusagen unmittelbaren Einblick in eben diese<br />

(substanzialistisch gedachte) Tiefe gestattet (in den „Brunnen“ gleichsam, an<br />

dessen Grund das „eigentliche Wesen“ golden schimmert). Vielmehr vereinen<br />

sich, nach Ricoeurs Konzeption im Symbol bzw. der Metapher eine Vielzahl von<br />

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