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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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vergessenen, metaphysischen Philosophie, die „die Frage nach der Wahrheit des<br />

Seins nicht nur nicht stellt, sondern verbaut“ (Heidegger: Humanismus 31); und<br />

dass das Denken, das wirkliche Denken, nicht unter der Herrschaft des gesellschaftlichen<br />

„Man“ (Heidegger: Sein § 27 u. 36) geknechtet und am technischen<br />

Vollbringen orientiert, sondern einzig und allein am Sein orientiert ist, aus ihm<br />

hervorgehend und allein ihm verpflichtet. 14 Die Behauptung dieser kategorialen<br />

Differenz zwischen dem bloßen Meinen, das dem „Man“ und der seinsvergessenen<br />

Metaphysik verpflichtet ist, und dem wirklichen Denken – so kann man nach<br />

der bourdieuschen Analyse des heideggerschen Denkens im Kontext sagen –<br />

markiert zweierlei: einen Bruch im Denken Heideggers selbst sowie die Verschleierung<br />

einer über diesen Bruch hinweg bestehenden Kontinuität. Bruch und<br />

Kontinuität bestehen beide darin, dass das heideggersche Denken die alltagsweltlichen<br />

und politischen Vorgaben des „revolutionären Konservativismus“ seiner<br />

Zeit in das Feld der Philosophie übertrug. Dabei folgte er zwar der Differenz<br />

zwischen politischem und philosophischem Feld. Aber die Strukturen des politischen<br />

Denkens kamen im Feld der Philosophie wieder zum Vorschein.<br />

„Wie die mathematische, wenn sie Geschwindigkeit in eine abgeleitete Funktion<br />

verwandelt oder Fläche in ein Integral, wie die juristische, wenn sie einen Streit<br />

oder Konflikt in einen Prozeß verwandelt, so bildet auch die philosophische<br />

Alchimie eine metabasis eis allo genos, den Übergang in eine andere Ordnung (im<br />

Sinne Pascals)...“ (Bourdieu: Heidegger 51), bei der die Begriffe sich ändern, die<br />

Aussagen aber Gleiches bedeuten. Zugleich erreicht man aber durch die Änderung<br />

der Begrifflichkeit und den Wechsel in ein anderes Bezugssystem bzw. Feld eine<br />

tendenzielle Unkenntlichkeit dieser Bedeutungen aus der Perspektive des ersten<br />

Feldes. „Philosophische Formgebung, das heißt politische Entschärfung; und so<br />

läßt die Transformation, die bei der Übertragung von einem sozialen – und<br />

untrennbar damit mentalen – Raum in einen anderen Voraussetzung ist, den<br />

Zusammenhang zwischen dem Endprodukt und den ihm zugrundeliegenden<br />

sozialen Determinanten tendenziell unkenntlich werden – eine philosophische<br />

Stellungnahme ist (bis auf das System) nie etwas anderes als das Homolog einer<br />

‚naiven‘ ethisch-politischen Stellungnahme.“ (Bourdieu: Heidegger 58) Dabei muss<br />

man allerdings beachten, dass die Spielregeln des wissenschaftlichen (hier auch:<br />

philosophischen) Feldes nicht genau dieselben sind, wie die des politischen. Die<br />

vom Habitus unbewusst übertragenen Schemata unterliegen zum Beispiel den<br />

„bewußten Systematisierungsstrategien“ (Bourdieu: Heidegger 58), die in der wissenschaftlichen<br />

Tradition gelten.<br />

Für den Heidegger vor der „Kehre“ heißt dies konkret: „Als praktischer<br />

Operator der zwischen einer philosophischen und einer politischen Position sich<br />

14 „Das Denken ist des Seins, insofern das Denken, vom Sein ereignet, dem Sein gehört.<br />

Das Denken ist zugleich Denken des Seins, insofern das Denken, dem Sein gehörend, auf<br />

das Sein hört. Als das hörend dem Sein gehörende ist das Denken, was es nach seiner<br />

Wesensherkunft ist.“ Heidegger: Humanismus 7.<br />

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