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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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sprechenden methodischen Operationalisierung in der Identitätsproblematik<br />

meines Erachtens wesentlich weiter. (Vgl. Schäfer: Theorie)<br />

Wandel (114 ff.) kommt bei Schreiter vor allem als Transformation von Zeichensystemen<br />

in den Blick. Das ist unter der Voraussetzung eines semiotischen Ansatzes<br />

zu erwarten. Schreiter blickt von außen auf Kulturen als Ganzes; er geht<br />

nicht weiter zur Innenperspektive. Brauchbare Operationalisierungen fehlen also<br />

auch hier. Der Hinweis, man solle auf Metaphern achten, die den Wandel benennen<br />

(116) zeigt nur die Außenperspektive. Es kommt auf die Metaphern an, mit denen<br />

bzw. durch die sich der Wandel ereignet.<br />

Wandel kann natürlich als Transformation von Zeichensystemen beschrieben<br />

werden. Das hat seinen guten Sinn und ist wichtig für die <strong>Theologie</strong>. Aber erstens<br />

braucht man eine bessere Operationalisierung für die empirische Arbeit. Und<br />

zweitens hat Wandel mit dem Handeln von Akteuren, ihren Interessen, ihren<br />

Strategien und (symbolischen und materiellen) Einsätzen sowie mit ihrer Macht in<br />

den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu tun. Dieser Dynamik sind Zeichen<br />

als Handlungen unterworfen, denn Zeichen existieren nicht außerhalb sozialer<br />

Relationen. Das gilt natürlich auch und vor allem für Metaphern, die Wandel<br />

erzeugen.<br />

Schreiter erwähnt die Unbewusstheit der semiotischen Regelsysteme (84 f.)<br />

im Rückgriff auf die russische Semiotik der Tartu-Schule. Für alle drei Kriterien –<br />

Ganzheitlichkeit, Identität und Wandel – scheint mir dies Theorem von besonderer<br />

Bedeutung. Laut Tartu-Schule befinden sich die semiotischen Regelsysteme als<br />

generative Strukturen im Gedächtnis der Akteure (93). Schreiter arbeitet diesen<br />

Gedanken allerdings nicht aus. Von dieser Annahme ausgehend hätte er jedoch<br />

alle drei zentralen Forschungsbereiche unter einer gemeinsamen theoretischen<br />

Voraussetzung angehen können.<br />

Man hätte nämlich den engeren Bereich der Semiotik als Zeichentheorie<br />

verlassen und zu einer „Soziologie der symbolischen Formen“ (Bourdieu) übergehen<br />

können. Diese unbewussten generativen Strukturen können praxeologisch als<br />

Netze der zugleich individuellen wie kollektiven Wahrnehmungs-, Urteils- und<br />

Handlungsdispositionen von Akteuren aufgefasst werden, welche sich über die<br />

praktische Logik der gesellschaftlichen Felder direkt mit den Relationen des<br />

Handelns und der gesellschaftlichen (Macht-) Strukturen vermitteln lassen. Anders<br />

herum gesagt: die gesellschaftlichen Relationen erweisen sich so als direkt inhaltlich<br />

relevant für inkorporierte Zeichensysteme, auch theologische.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen: Schreiters zentrale Forderung ist,<br />

eine fremde Kultur mit deren eigenen Augen zu sehen, und zwar methodisch<br />

reflektiert und nicht mit den Wundermitteln der Intuition. Für die<br />

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