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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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sich; aber sie hat zugleich auch selbst Stoff für eine allgemeine Widerspiegelungstheorie<br />

geliefert. Letztere ist in so gut wie allen objektivistisch<br />

ausgerichteten Theorien beherrschend geblieben. So hat auch die Schule<br />

des strukturalistischen Marxismus, so gut wie nichts zur Überwindung<br />

dieser Position beigetragen, 95 obgleich der Marxismus mit der zentralen<br />

Stellung der Begriffe der Arbeit, der Ideologie und der <strong>Praxis</strong> der wissenschaftlichen<br />

Vorstellungskraft durchaus genug dynamische Momente dazu<br />

bereitstellt.<br />

Auch gegenüber der Symbolic Anthropolgy, vertreten etwa durch Victor<br />

Turner (Turner: Dramas) und Clifford Geertz (Geertz: Beschreibung), stellt<br />

die <strong>Praxis</strong>theorie einen Fortschritt dar durch die Integration der symbolischen<br />

mit den materiellen „Bereichen“ vermittels des Konzepts praktischer,<br />

„sinnlich-menschlicher Tätigkeit“ (Marx). Geertz formuliert noch<br />

als Aufgabenstellung seiner Methode der „Dichten Beschreibung“: „Sie<br />

besteht darin, Vorstellungsstrukturen (Hervorh. HS), die die Handlungen<br />

unserer Subjekte bestimmen – das ‚Gesagte‘ des sozialen Diskurses –<br />

aufzudecken...“ (Geertz: Beschreibung 39). Strukturen und Handeln sind hier<br />

noch einander gegenübergestellt, und <strong>Praxis</strong> ist Anwendung, nicht aber<br />

Produktion symbolischer Systeme. Die <strong>Praxis</strong>theorie vermittelt diese<br />

gedachte Gegenüberstellung später, ohne dadurch aber die Früchte der<br />

Symbolic Anthropology zu verlieren (etwa die Analysen der Metaphern durch<br />

Victor Turner und des Rituals durch Clifford Geertz).<br />

Die <strong>Praxis</strong>theorie beendet die Vermittlung symbolischer und materieller<br />

Strukturen (und Inhalte) nach Art der Abbildung. Symbolische Systeme<br />

und gesellschaftliche Strukturen werden vielmehr zugleich als Produkte<br />

und Produktionsmittel sinnlich menschlicher Tätigkeit begriffen, die ineinander<br />

greifen. Mit bourdieuschem Vokabular geredet: Man kann von der<br />

Beschreibung eines symbolischen Systems als opus operatum, die weiterhin<br />

möglich und erwünscht ist, auch zur Beschreibung des modus operandi<br />

übergehen, wodurch – so kann man weiterführen – die Akteure und die in<br />

95 Althusser etwa zementiert die Gegenüberstellung von materieller Basis und symbolischem<br />

Überbau vielmehr in der Verallgemeinerung des Ideologiebegriffs auf ein „System<br />

von Vorstellungen ... meistens Bilder, bisweilen Begriffe“ vor allem aber „Strukturen“<br />

(Althusser: Marx 183). Dadurch eliminiert er den Prozess der symbolischen Arbeit zur<br />

Verschleierung von Wirklichkeit, der im klassisch-marxistischen Ideologiebegriff vorherrscht.<br />

Ebenso ergeht es bei Althusser dem Subjekt, das nach seiner Ansicht lediglich<br />

vermittels der Interpelation ( „Anrufung“ und zugleich „Verhaftung“) durch eine anonyme<br />

Ideologie lediglich als Objekt eines ideologischen SUBJEKTS subjektiviert wird, nicht aber<br />

als Produzent von Ideologie in Betracht kommt. (Althusser: Ideologie 146 ff.)<br />

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