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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Die Frage nach dem Tod wird häufig als Ansatzpunkt für letzte Fragen<br />

gesehen. Die Todeserfahrung als solche – wie sie etwa Rücker in einem<br />

religionsphilosophischen Sinne für wesentlich hält zur Rückgewinnung<br />

eines adäquaten Verständnisses christlicher <strong>Theologie</strong> (Rücker: Weg 18 ff.)<br />

– verdient zwar religionswissenschaftliche Beachtung, ist aber doch ein zu<br />

allgemeiner Ansatzpunkt. 66 Denn der Tod wird (jedenfalls in einem für die<br />

Ausbildung religiöser Systeme relevanten Sinne) als der Tod anderer erfahren<br />

und nur in der Projektion als der eigene phantasiert. Der eigene Tod ist<br />

also nicht sinnrelevant erfahrbar (außer vielleicht in den allerletzten Momenten<br />

des Lebens). Der Tod anderer wird erfahren als konkreter Verlust<br />

einer Person und eines Handlungszusammenhanges, oder er wird als ein<br />

Massenphänomen wahrgenommen. Er wird erlebt als konkreter seelischer<br />

(und körperlicher) Schmerz oder auch als kognitiver Sinnverlust oder als<br />

Krise. Im Blick auf praktische Logik lässt sich dieses Erleben modellieren<br />

als Riss im Netz der kognitiven, affektiven und leiblichen Dispositionen<br />

des Habitus. Allerdings gewinnt die Konfrontation mit dem Tod auch erst<br />

dann religiöse Dimensionen, wenn sie religiös interpretiert wird. Immerhin<br />

kommt dem Tod aber insofern eine gewisse Sonderstellung zu, als er<br />

(anders als andere Krisen) eine nicht einholbare Grenze menschlichen<br />

Handelns und Erleidens markiert. Er kann als die Gestalt der Krise<br />

schlechthin erfahren werden.<br />

Aber außer dem Tod können vielerlei andere Ereignisse tiefgreifende<br />

Krisen- und Kontingenzerfahrungen hervorrufen: die Zerstörung der<br />

Lebensgrundlagen durch Naturkatastrophen, ökonomischen Zusammenbruch,<br />

Krieg, kurz: rasche Wandlungen auf einem wichtigen oder auf<br />

mehreren <strong>Praxis</strong>feldern, und/oder die Zerstörung bzw. starke Abwertung<br />

habitualisierter Denk- und Verhaltensweisen. Dies kann dann zum Anlass<br />

einer Neuorganisation der Habitus durch religiöse Sinngebung werden. Die<br />

weisheitliche Literatur der hebräischen Bibel etwa widmet einen beachtlichen<br />

Teil ihrer religiösen Produktion einem Problem, das durch Interferenz<br />

des ökonomischen im religiösen Feld entsteht. Sie greift die Zerstörung<br />

des Tun-Ergehen-Zusammenhangs durch die wirtschaftlichen<br />

Erfolge der Gottlosen als eine elementare religiöse Kontingenzerfahrung<br />

auf und sucht durch religiös-symbolische Arbeit dem ökonomischen<br />

Handeln der Nicht-Erfolgreichen neuen, religiösen, Sinn zu geben.<br />

66 Das gilt auch in bezug auf die kontextuell-theologische Analyse und die Hervorbringung<br />

kontextueller <strong>Theologie</strong>.<br />

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