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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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iographischen Bedingungen, so weist Maaser nach, wirken als „Rezeptionskriterien<br />

vorfindlicher politischer Deutungsmuster, so wie Künneth sie in seiner<br />

theologisch-politischen Ethik entfaltet“ (Identität 289). Dabei sind keineswegs nur<br />

inhaltliche Präferenzen – zum Beispiel für einen starken Staat – vorgegeben. In<br />

der Analyse Maasers wird vielmehr deutlich, dass durch die Sozialisation erworbene<br />

Wahrnehmungs- und Denkschemata die <strong>Theologie</strong> Künneths grundlegend<br />

bestimmen. „Der Autoritarismus besteht bei ihm eben nicht bloß in der Favorisierung<br />

eines materialen Gehorsamsbegriffs, sondern er ist selbst eine Form der<br />

Reflexion, die sich in alle materialen Formen politischer Orientierungsmuster<br />

einzeichnet. ... Im Hinblick auf die empirische Wirklichkeit zeigte sich immer ein<br />

und dieselbe Denkstruktur: das, was ist, soll innerlich gewollt und bejaht werden.“<br />

(Identität, 292) Das theologische Motiv der (Erhaltungs-) Ordnung wirkt hier,<br />

wenn man es mit den Worten Bourdieus formulieren will, als praktischer Operator<br />

des Habitus zwischen den Feldern der persönlichen, ansozialisierten Denk- und<br />

Verhaltensweisen und dem theologischen Denken. Auch in der Analyse Maasers<br />

sind Effekte der positionsbedingten Denkmuster auf die <strong>Theologie</strong> Künneths<br />

erkennbar, die freilich auf dem Hintergrund der Habitustheorie Bourdieus klarer<br />

hätten dargestellt werden können.<br />

Es geht Künneth also nicht anders als Heidegger; es geht ihm sogar schlechter:<br />

Ein Philosoph sieht sich immerhin mehr oder weniger genötigt, sich den<br />

Einzelwissenschaften und somit in gewissem Sinne auch der Erfahrung gegenüber<br />

zu erklären. Theologen hingegen können ihre Position vermittels des Postulats der<br />

Offenbarung auf einen Apriorismus des Eigenen zurückziehen und sich vermittels<br />

einer postulierten Objektivität absolut setzen. Dies tut auch Künneth: „Die umfangreichen<br />

theologischen Begründungsgänge legitimieren die Kriterien nicht nur,<br />

sondern versuchen sie auch als spezifische, in der Offenbarung begründete Kriterien<br />

zu erweisen. Insofern dienen die theologischen Argumente auch der Stabilisierung<br />

des Künnethschen Einstellungssystems und verhindern einen expliziten<br />

Selbstkonflikt.“ (Maaser: Identität 289)<br />

Man müßte die <strong>Theologie</strong> Künneths (oder eines anderen Theologen) noch<br />

einmal mit praxeologischer Methode untersuchen, um beweisen zu können, dass die<br />

zur Stabilisierung bzw. Absolutsetzung der eigenen Position herangezogenen<br />

theologischen Motivgruppen homolog sind zu den Strukturen seiner gesellschaftlich<br />

generierten Voreinstellungen. Es spricht aber schon nach Maasers nichtstrukturaler<br />

Analyse vieles dafür.<br />

Interessant ist in diesem Zusammenhang besonders der Prozess der (im<br />

doppelten Sinne) dogmatischen Versteinerung seiner <strong>Theologie</strong>, mit der Künneth<br />

– auch hierin Heidegger ähnlich – um eine wirkliche, selbstkritische „Kehre“ nach<br />

dem Ende des Nationalsozialsozialismus herumkommt. Dieser Prozess ist zudem<br />

auch im Hinblick auf eine Erweiterung des Blickwinkels der maaserschen Analyse<br />

von Bedeutung, denn er verdeutlicht: Nicht nur die politische Ethik, sondern auch<br />

die Dogmatik untersteht den Orientierungen und Begrenzungen durch die Dispositionen<br />

des Habitus. Künneth entwirft nämlich, gewissermaßen als Kehre, zur<br />

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