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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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In Lateinamerika setzt man in der <strong>Theologie</strong> einen starken politischen und<br />

ekklesiologischen Schwerpunkt. Erst in jüngerer Zeit kommen Fragen kultureller<br />

Identität zur Sprache. Gustavo Gutiérrez hat nach seinem Grundlagenwerk mit stark<br />

politischem Fokus stärker auf die Frage der Evangelisation abgehoben. Für Leonardo<br />

Boff war neben der politischen Dimension der Befreiung die ekklesiologische<br />

Dimension in der Auseinandersetzung mit dem Vatikan von besonderer Bedeutung.<br />

Jon Sobrino konzentriert sich auf die Verankerung der Ekklesiologie bei den<br />

Armen und eine Zivilisation der Armut als Waffe gegen die Verzweiflung. Eine<br />

wichtige Tendenz ist die Verschränkung von Ökonomie und <strong>Theologie</strong>, für die<br />

vor allem Franz Hinkelammert, Hugo Assmann und Enrique Dussel stehen. Aus dieser<br />

Perspektive spielt die Kapitalismuskritik – etwa über den Idolatrie-Begriff – eine<br />

zentrale Rolle. Der Fokus ist das „System“, welches die Armen (bzw. neuerdings<br />

„das Subjekt“) erdrückt. Sehr nahe an diesem Ansatz entwickelt die Methodistin<br />

Elsa Tamez eine Befreiungstheologie aus feministischer Perspektive; ähnlich, aber<br />

stärker an kulturellen Fragen orientiert, Ivonne Gebara in Brasilien. Christologie und<br />

Martyrium spielen in der lateinamerikanischen <strong>Theologie</strong> eine wichtige Rolle,<br />

besonders ausgearbeitet durch den Jesuiten Jon Sobrino. In neuerer Zeit zuerst wohl<br />

von José Comblín, wird der Pneumatologie mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Der<br />

Brasilianer Paulo Suess steht für die Perspektive auf Kultur: Inkulturation des<br />

Evangeliums ist nötig mit Respekt vor den einheimischen Kulturen, aber mit<br />

Ausrichtung auf Befreiung.<br />

Ansätze kontextueller <strong>Theologie</strong> in Europa findet Wolfgang Gern u.a. bei<br />

Ulrich Duchrow in der Kritik am Weltwirtschaftssystem, bei Konrad Raiser aus der<br />

<strong>Praxis</strong> der Ökumene heraus, bei Walter Hollenweger mit seinem Programm narrativer<br />

und interkultureller <strong>Theologie</strong>, bei Georges Casalis, der eine induktive <strong>Theologie</strong><br />

aus der Nachfolgepraxis vorschlägt sowie Hans Waldenfels mit seiner kontextuellen<br />

Fundamentaltheologie, die Kontext vom „Sitz im Leben“ her versteht. 48<br />

Bei Gern und Ustorf findet sich noch kein Hinweis auf die <strong>Theologie</strong> des<br />

pazifischen Raumes, zum Beispiel John D‘Arcy May oder Dick Avi mit ihrer Betonung<br />

der Schöpfungstheologie.<br />

Die enge Verknüpfung interkultureller und kontextueller <strong>Theologie</strong> ist in<br />

theoriegeschichtlicher und systematischer Hinsicht interessant. Interkulturelle<br />

<strong>Theologie</strong> widmet sich zunächst dem Verstehen einer anderen,<br />

in einem fremden Kontext entstandenen <strong>Theologie</strong>. Ähnlich wie in der<br />

Ethnologie, nur später, entwickelte sich so auch in der <strong>Theologie</strong> ein<br />

Bewusstsein der eignen Relativität und kulturellen Bedingtheit durch den<br />

Kontakt mit Fremdem auf gleicher Ebene; genauer: mit fremden Christen,<br />

48 Vgl. auch die Sektion über neuere Ansätze in der Einleitung.<br />

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