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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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scher Wahrheit. Das entscheidende hermeneutische Problem lässt sich<br />

allerdings vom Kontextbegriff her in den Blick bekommen.<br />

Auf den genannten Konflikt kann man zwei verschiedene Begriffe von<br />

Kontext anwenden. Das Vorgehen von Frau Chung deutet auf ein klares<br />

Bewusstsein der eigenen Kontextualität hin; das ihrer Kritiker lässt kein<br />

Bewusstsein eigener Kontextabhängigkeit erkennen. Hat man einen engen,<br />

oder emphatischen, Kontextbegriff, so orientiert man sich an der Selbsteinschätzung<br />

der jeweiligen Theologen: Frau Chung wäre somit eine kontextuelle<br />

Theologin, ihre Gegner nicht. Hat man dagegen einen weiten<br />

Kontextbegriff, so betont man – den engen Begriff einschließend –, dass<br />

jede <strong>Theologie</strong> kontextabhängig ist, ganz gleich ob ein Bewusstsein von<br />

dieser Kontextabhängigkeit vorhanden ist oder nicht. Dann wären auch<br />

die Kritiker kontextabhängig. Ich operiere meist mit dem weiten Begriff<br />

und spezifiziere gelegentlich mit dem engeren. Allerdings: ist der weite<br />

Kontextbegriff nicht banal?<br />

Im Anschluss an den Konflikt um die Darbietung Frau Chungs in<br />

Canberra empfahl der Ausschuss für Programmrichtlinien der Vollversammlung<br />

Folgendes: Im Zusammenhang mit der „Entwicklung einer<br />

lebendigen und kohärenten <strong>Theologie</strong>“ müsse „ein Dialog zwischen den<br />

kontextuellen und den ‚klassischen‘ <strong>Theologie</strong>n beginnen, um eine ökumenische<br />

Art und Weise zu entwickeln, <strong>Theologie</strong> zu treiben“ 3 , die gleichzeitig<br />

dem apostolischen Glauben treu bleibe und die lokalen Kulturen<br />

beachte. Diese Empfehlung weist auf eine dringende Notwendigkeit, leidet<br />

allerdings unter dem Anschein, dass sie den engen Kontextbegriff voraussetzt.<br />

Dies ist auf dem Hintergrund der ökumenischen Diskussion sogar<br />

recht wahrscheinlich. Denn seitdem der Kontextbegriff Anfang der siebziger<br />

Jahre in die ökumenische Diskussion eingeführt wurde, hängen ihm<br />

zwei Probleme an: Zum einen ist der Unterschied zwischen Kontextualisierung<br />

und Kontextualität nicht hinreichend deutlich. Zum anderen – und in<br />

diesem Zusammenhang wichtiger – litt der methodenbezogene Diskurs<br />

über kontextuelle <strong>Theologie</strong> unter einer gewissen politischen Überfrachtung<br />

durch implizite Axiome 4 von Befreiungstheologien und seine Bin<br />

3 Müller-Römheld: Canberra 187 f. Zur Interpretation vgl. Raiser: Jenseits, S. 429 f.<br />

4 Ich verwende diesen Begriff nach Dietrich Ritschl. „Implizite Axiome sind Konstrukte<br />

des menschlichen Geistes unter den Bedingungen der Natur. Sie sind verdichtete Erfahrungen<br />

mit dem Leben und mit Gott im Leben. Sie sagen uns – salopp ausgedrückt – ‚Ja,<br />

so geht es‘, ‚so gelingt das Leben‘.“ Ritschl: Axiome 161; vgl. ebenso Ritschl: <strong>Theologie</strong>. Vgl.<br />

auch die Diskussion über das Konzept in Huber/Petzold/Sundermeier: Axiome. Von<br />

einem Ansatz bei der bourdieuschen Theorie der Dispositionen des Habitus aus kann man<br />

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