02.12.2012 Aufrufe

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

damaligen Naturwissenschaft. Der Geist Gottes wird als treibende Kraft<br />

des Naturgeschehens gezeichnet. Die Apokalyptik (Joel) transformiert das<br />

kosmologische Denken auf die Zeitachse und stellt Abbruch und Neuschöpfung<br />

unter die Perspektive des Heiligen Geistes: Pneumatologie als<br />

Schlüssel zur Kreation neuer Handlungs- und Überlebensperspektiven in<br />

einer gesellschaftlichen Lage, die politisches Handeln nicht mehr zulässt.<br />

Schließlich wendet die weisheitliche Tradition den Geistbegriff ins Psychologische<br />

und tritt damit auch in den Dialog mit den damaligen Wissenschaften<br />

vom Menschen ein: der Geist Gottes als theologisches Bindeglied<br />

für interdisziplinären Dialog mit den Humanwissenschaften. Alles in allem<br />

wird die Pneumatologie in der hebräischen Bibel zu einem diskursiven<br />

Operator, der die <strong>Theologie</strong> gesellschaftlich dialogfähig macht.<br />

Diese Potenz verliert sich teilweise im Neuen Testament aufgrund der<br />

veränderten sozialen Lage seiner Autoren. Eine religiöse Erweckungsbewegung<br />

hat andere Interessen als universale Dialogfähigkeit. Die Frage<br />

nach den spezifischen Gaben des Geistes (1. Korinther 12-14) für eine<br />

charismatische Gemeindepraxis rückt in den Vordergrund und wird später<br />

zu einem Bedarf nach Pneumatologie als einem Funktionselement hierarchischer<br />

Kirchenordnung und Traditionssicherung (Pastoralbriefe).<br />

Gleichwohl gibt auch das Neue Testament die Verbindung zur hebräischen<br />

Pneumatologie nicht auf. Paulus entfaltet – in apokalyptischer<br />

Tradition und nicht unbedingt in direkter Aufnahme von Gemeindeinteressen<br />

– im Römerbrief (8) die Lehre vom Heiligen Geist in anthropologischer,<br />

ekklesiologischer und universalgeschichtlicher Perspektive, und zwar<br />

in einem Kontext von Not, Unfreiheit und Gewalt. (Schäfer: Romanos) Die<br />

Evangelien – besonders spürbar bei Markus – halten den alten Zusammenhang<br />

von ruah und Macht (Richterbücher) im Gedächtnis und stellen ihn<br />

in einen Jesus-zentrierten apokalyptischen Zusammenhang.<br />

Diese kurze Skizze von pneumatologischen Aussagezusammenhängen<br />

muss hier genügen, um das Potential praxeologisch aufbereiteter Pneumatologie<br />

für gesellschaftlich relevante <strong>Theologie</strong> in der zeitgenössischen<br />

Moderne anzudeuten. Es sei noch hervorgehoben, dass ein Ansatz theologischer<br />

Reflexion bei der Pneumatologie die Struktur theologischer und<br />

kirchlicher Argumentation umwandelt. Das Axiom, theologisches Denken<br />

könne ebensowenig wie kirchliche Wirklichkeit des Geistes Gottes habhaft<br />

werden, bedeutet für <strong>Theologie</strong> und Kirche, dass Gottes Handeln und<br />

Gottes Wahrheit auch außerhalb der Grenzen von <strong>Theologie</strong> und Kirche<br />

präsent sind und dass sie zugleich innerhalb der Grenzen nicht a priori<br />

vorausgesetzt werden können. Es gilt also nicht mehr die Alternative<br />

238

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!