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Die Transformation der Telekommunikation: Vom ... - MPIfG

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Konvergente Evolution und strukturelle Stabilität 115<br />

lichung in Großbritannien und Verstaatlichungsdiskussion in den USA).<br />

An<strong>der</strong>erseits wäre nur schwer vorstellbar gewesen, dass <strong>der</strong> Meiji-Staat, <strong>der</strong><br />

trotz immenser Mo<strong>der</strong>nisierungsmaßnahmen die Kontinuität militaristischer<br />

Elemente des japanischen Feudalstaates garantierte (Huntington 1975), dieses<br />

wichtige Machtmittel freiwillig aus <strong>der</strong> Hand gegeben hätte. Zwar wurde<br />

in Japan schon in den 1880er-Jahren ein Teil <strong>der</strong> staatlich geför<strong>der</strong>ten Industrien<br />

privatisiert. <strong>Die</strong> zum institutionellen Kern <strong>der</strong> Staatlichkeit gehörige<br />

<strong>Telekommunikation</strong> blieb dabei jedoch unangetastet.<br />

Wie schon beim institutionellen Start <strong>der</strong> Telegrafie unterstreichen auch<br />

die unterschiedlichen Startpositionen beim Telefon die These, dass die<br />

Wahrnehmung einer Technologie, das heißt die in einer Gesellschaft vorherrschenden<br />

Nutzungsvorstellungen, stark variieren und für die erste Weichenstellung<br />

ausschlaggebend sein können. Für das Telefon war dies insofern<br />

wichtig, als seine funktionelle Verwandtschaft zum Telegrafen auf<br />

Grund <strong>der</strong> begrenzten Reichweite <strong>der</strong> ersten Leitungen vor allem in den<br />

Entwicklungsjahren unterschätzt wurde. Allgemein sichtbar wurde die<br />

Funktionsverwandtschaft erst, als die ersten privaten Telefongesellschaften<br />

bereits mit staatlichen Konzessionen ausgestattet worden waren. Nur die<br />

deutsche Telegrafenverwaltung sah das Telefon von Anfang an als eine für<br />

die Telegrafie relevante Kommunikationstechnik und setzte das Telefon bei<br />

den Hilfstelegrafenanstalten sogar als Netzerweiterungstechnik ein. Dass<br />

diese Einsicht mehrere Jahre brauchte, um sich allgemein durchzusetzen,<br />

reichte aus, um in Frankreich, Großbritannien und Italien ein Gelegenheitsfenster<br />

(»windows of opportunity«) zu öffnen, durch das trotz vorausgehen<strong>der</strong><br />

Staatstelegrafie ein Privatstart beim Telefon ermöglicht wurde. Selbst in<br />

den USA hatte die Unterschätzung <strong>der</strong> funktionellen Ähnlichkeit von Telegraf<br />

und Telefon dazu geführt, dass <strong>der</strong> damalige Monopoltelegrafist Western<br />

Union die Riesenchance platzen ließ, das Bell-Patent in <strong>der</strong> Anfangsphase<br />

für ein »Kleingeld« aufzukaufen, um sich nur wenige Zeit später mit<br />

<strong>der</strong> Bell-Gesellschaft in teure Patentstreitigkeiten verwickeln zu lassen.<br />

Ähnlich schnell än<strong>der</strong>te sich die Politik <strong>der</strong> Telegrafenverwaltungen in<br />

Großbritannien, Frankreich und Italien, nachdem Wahrnehmungsverschiebungen<br />

verdeutlichten, wie die Staatstelegrafie durch die Privattelefonie ökonomisch<br />

gefährdet wurde. Nachdem die ersten Substitutionswirkungen nicht<br />

mehr zu übersehen waren, versuchten alle − private o<strong>der</strong> staatliche − Telegrafenverwaltungen,<br />

die Telefonentwicklung entwe<strong>der</strong> horizontal zu integrieren,<br />

o<strong>der</strong> durch bürokratische und an<strong>der</strong>e Hürden zu bremsen. Bereits<br />

Holcombe (1911: 373) kam zu <strong>der</strong> Schlussfolgerung:

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