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Die Transformation der Telekommunikation: Vom ... - MPIfG

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Diffusion, nationale <strong>Transformation</strong>en und globale Konvergenz 269<br />

französische Regierungssystem als Parteienregierung zu bezeichnen (Hayward<br />

1986: 54–55; Abromeit 1993: 205–206).<br />

Gesellschaftliche Interessen<br />

<strong>Die</strong> Stellung <strong>der</strong> organisierten gesellschaftlichen Interessen in <strong>der</strong> politischen<br />

Entscheidungsstruktur in Frankreich ist paradox: Auf <strong>der</strong> einen Seite<br />

verfügt Frankreich über eine reiche Tradition an sozialen Bewegungen und<br />

vielfältigsten politischen Organisationsformen − von Massenaufständen,<br />

politisch-charismatischen Strömungen (zum Beispiel Poujadismus) bis hin<br />

zum (Anarcho-)Syndikalismus <strong>der</strong> Arbeiterbewegung. An<strong>der</strong>erseits werden<br />

organisierte Son<strong>der</strong>interessen jedoch mit Misstrauen betrachtet. Oft wird<br />

dies als Nachwirkung des revolutionären Jakobinismus interpretiert, nach<br />

dem sich <strong>der</strong> bürokratische Staatsapparat selbst als <strong>der</strong> einzig legitime Repräsentant<br />

des Allgemeinwillens betrachtet. <strong>Die</strong> liberale Vorstellung, dass<br />

sich das Gemeinwohl aggregativ aus dem Mit- und Gegeneinan<strong>der</strong> von Partikularinteressen<br />

herausbilden könnte, ist in Frankreich bis heute nicht beson<strong>der</strong>s<br />

populär. <strong>Die</strong>se politische Organisationskultur reicht zurück bis zu<br />

den restriktiven Praktiken <strong>der</strong> Korporationen im Ancien Régime, welche<br />

während <strong>der</strong> Französischen Revolution dann zum Loi Chapelier führten, das<br />

sämtliche Interessengruppen verbot. Zwar ist dieses Gesetz bereits 1901<br />

aufgehoben worden. Seine nachhaltige Wirkung ist aber geblieben. Organisierte<br />

Interessen werden generell mit Misstrauen betrachtet. <strong>Die</strong> geringe<br />

kulturelle Legitimität zeigt sich beispielsweise schon in <strong>der</strong> Semantik, nach<br />

<strong>der</strong> Interessengruppen ihre Anliegen in Frankreich nicht »vertreten«, son<strong>der</strong>n<br />

verteidigen (»défendre«) müssen (Wilsford 1989).<br />

Organisierte Interessen spielen in <strong>der</strong> französischen Politik keine eigenständig<br />

autonome Rolle, wie dies in <strong>der</strong> Bundesrepublik <strong>der</strong> Fall ist. Ihr<br />

Verhalten ist eher reaktiv und den staatlichen Belangen untergeordnet. In<br />

diesem Sinne wirkt <strong>der</strong> französische Staat auch in hohem Maße strukturierend<br />

auf die Organisation von Interessenvertretung ein. <strong>Die</strong> Machtasymmetrie<br />

zwischen Staat und Interessengruppen ist zu groß, als dass diese sich auf<br />

Grund eigener Initiative und eigenen Gewichts selbst einen Zugang zu<br />

staatlichen Entscheidungsträgern verschaffen könnten. Französische Verbände<br />

werden vom Staat kooptiert; ihnen wird Zugang »gewährt«, doch ihre<br />

Teilnahme an politischen Entscheidungen (etwa über Gremien) ist überwiegend<br />

symbolisch. In <strong>der</strong> Regel findet sie auch erst spät im politischen Willensbildungsprozess<br />

statt. Insofern kann die Beziehungsstruktur gesell-

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