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Die Transformation der Telekommunikation: Vom ... - MPIfG

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120 Kapitel 4<br />

müht waren, bestimmte Telegrafen- o<strong>der</strong> Telefonsysteme zu übernehmen.<br />

So wäre es vollkommen abwegig, die britische Telegrafen- und Telefonentwicklung<br />

als eine konsistente und kontinuierliche Reihe von Monopolisierungsversuchen<br />

zu sehen, die beim Telegrafen erst in den 1860er-Jahren und<br />

beim Telefon erst 1912 erfolgreich waren. Im Gegensatz hierzu zeigten <strong>der</strong><br />

britische Staat und seine Postverwaltung we<strong>der</strong> zu Beginn <strong>der</strong> Telegrafennoch<br />

zu Beginn <strong>der</strong> Telefonentwicklung Interesse daran, diese Systeme in<br />

ihren Verwaltungsbereich zu integrieren. Beide letztlich doch erfolgten Verstaatlichungen<br />

waren weniger durch Rent-seeking als durch das Unbehagen<br />

allgemeiner Wirtschaftsinteressen am Privatmonopol und hierbei insbeson<strong>der</strong>e<br />

durch infrastrukturpolitische Bedürfnisse motiviert. In beiden Fällen<br />

zählte die Beschränkung privater Betreiber auf profitable Verkehrsströme<br />

und die zunehmend kritische Abhängigkeit <strong>der</strong> Wirtschaft von diesen allgemeinen<br />

Infrastrukturleistungen zu den wichtigsten Gründen für die Verstaatlichung,<br />

und in beiden Fällen än<strong>der</strong>ten sich nach <strong>der</strong> Verstaatlichung<br />

sowohl die Kriterien <strong>der</strong> Netzallokation als auch die Gebührenpolitik.<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung in Großbritannien ist geradezu ein Paradebeispiel dafür,<br />

dass die Telegrafen- und Telefonmonopole keine Produkte voluntaristischen<br />

staatlichen Handelns waren, son<strong>der</strong>n sich sogar gegen ein hartnäckiges Festhalten<br />

am Wettbewerb über einen historischen Prozess des Versuchs und<br />

Irrtums fast alternativlos herausgebildet hatten. Der britische Staat hatte letztlich<br />

nur die Wahl, entwe<strong>der</strong> das Privatmonopol mit seinen Negativfolgen zu<br />

akzeptieren, o<strong>der</strong> − entgegen seiner dominant wirtschaftsliberalen Gesinnung<br />

− das Telegrafen- und Telefongeschäft selbst in die Hand zu nehmen.<br />

Auch im amerikanischen Fall war die Postverwaltung nicht prinzipiell an<br />

einer Übernahme <strong>der</strong> Telegrafie interessiert. Morse wollte seine Patentrechte<br />

zunächst an die Post Office verkaufen, was diese jedoch ablehnte.<br />

Erst als Mitte <strong>der</strong> 1860er-Jahre die amerikanische Telegrafie unter die Kontrolle<br />

eines einzigen Privatmonopolisten geriet, wurde in den USA die Postverwaltung<br />

ins Spiel gebracht, um das Telegrafiegeschäft zu übernehmen<br />

(Postalization). <strong>Die</strong>s fand im Kongress allerdings nie eine Mehrheit.<br />

Durch die allgemeine Tendenz von Rent-seeking-Ansätzen, in allen monopolistischen<br />

Arrangements immer nur intendierte Produkte menschlicher<br />

Bestrebungen zu sehen, wird letztlich die Erkenntnis verstellt, dass viele<br />

Monopolisierungsprozesse auch strukturelle Ursachen haben können, die<br />

»hinter dem Rücken« <strong>der</strong> beteiligten Akteure wirken. Insofern kann das Gesamtergebnis<br />

»Monopolisierung« nicht als das Resultat (intendierter) Handlungen<br />

bestimmter Akteure verstanden werden.

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