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Die Transformation der Telekommunikation: Vom ... - MPIfG

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Konvergente Evolution und strukturelle Stabilität 133<br />

glaubte. <strong>Die</strong> Zustimmung zu diesem Kompromiss war aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong><br />

Western Union eine Entscheidung, die auf falschen Zukunftserwartungen<br />

basierte. In relativ kurzer Zeit sollte das Telefon den Telegrafen überflügeln,<br />

und nur zwanzig Jahre später war Bell in <strong>der</strong> Lage, die Western Union aufzukaufen.<br />

Im Rückblick erscheint die ursprüngliche Fehlentscheidung <strong>der</strong> Western<br />

Union natürlich fatal. Es wäre jedoch unsinnig, diesem Unternehmen mangelnde<br />

Weitsicht vorzuwerfen. <strong>Die</strong> Nutzungsvorstellungen über das Telefon<br />

waren zu jener Zeit noch äußerst instabil. Der Kompromiss kann insofern<br />

als Entscheidung »mit einer gewissen Rationalität« betrachtet werden, bei<br />

<strong>der</strong> die Western Union einer unsicheren Lotterie eine sichere Gewinnbeteiligung<br />

vorzog. <strong>Die</strong>ser Fall macht die Kontingenz dieses techno-ökonomischen<br />

Entwicklungsprozesses und die Pfadabhängigkeit <strong>der</strong> historischen Zusammenhänge<br />

deutlich. Durch diesen Kompromiss wurde die amerikanische<br />

Technikgeschichte aber in irreversibler Weise verän<strong>der</strong>t. <strong>Die</strong> späte Erkenntnis<br />

<strong>der</strong> Relevanz des Telefons und das Einlenken auf einen Kompromiss<br />

waren folgenschwere Fehler, die letztlich den relativen Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong><br />

Western Union bewirkten. Gleichzeitig war dies die Gunst <strong>der</strong> Stunde für<br />

die Bell-Corporation, ohne die sich das Bell-System, wie es später entstand,<br />

niemals hätte entwickeln können.<br />

Auch in Italien wurde das Telefon zunächst unterschätzt, und die ersten<br />

Konzessionsbedingungen waren dementsprechend liberal. Nachdem die ersten<br />

Substitutionswirkungen sichtbar wurden, än<strong>der</strong>te sich die staatliche Telefonpolitik<br />

schlagartig. In kurzer Zeit wurde die Telefonentwicklung über<br />

eine Verschärfung <strong>der</strong> Lizenzbedingungen massiv eingeschränkt. <strong>Die</strong>s geschah<br />

etwa mit so merkwürdigen Absicherungen wie Einkommensgarantien,<br />

bei denen die Privatkonzessionäre <strong>der</strong> Telegrafenverwaltung die Höhe des<br />

bisherigen Einkommens aus Telegrafenlinien regelrecht zusichern mussten.<br />

Zeitweise wurde hierdurch das Wachstum <strong>der</strong> privaten Telefonsysteme nahezu<br />

erstickt. Zu Beginn dieses Jahrhun<strong>der</strong>ts war die Situation <strong>der</strong>maßen<br />

verfahren, dass sich <strong>der</strong> Staat entschloss, die privaten lokalen Telefonsysteme<br />

sukzessive aufzukaufen und die Errichtung von Fernlinien in die eigene<br />

Hand zu nehmen − so wie es die Englän<strong>der</strong> eben erst vorexerziert hatten.<br />

Das Problem war aber, dass <strong>der</strong> italienische Staat nicht über jene Finanzmittel<br />

verfügte, auf die die Englän<strong>der</strong> zurückgreifen konnten. <strong>Die</strong> Aufkäufe<br />

mussten auf Grund von Finanzproblemen wenige Jahre später wie<strong>der</strong> eingestellt<br />

werden. Hier wirkte offenkundig das (umgekehrte) Matthäus-Prinzip,<br />

auf das <strong>der</strong> deutsche Nationalökonom Wilhelm Roscher im Falle <strong>der</strong> Eisenbahnenverstaatlichung<br />

hingewiesen hatte: »Lei<strong>der</strong> bestätigt sich die allge-

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