07.01.2013 Aufrufe

Die Transformation der Telekommunikation: Vom ... - MPIfG

Die Transformation der Telekommunikation: Vom ... - MPIfG

Die Transformation der Telekommunikation: Vom ... - MPIfG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Steuerungsstrukturen großtechnischer Systeme 65<br />

In den Sozialwissenschaften ist dieses Konzept bereits Ende <strong>der</strong> 60er entwickelt<br />

worden (Campbell 1969), jedoch erst Anfang <strong>der</strong> 90er-Jahre in breitem<br />

Umfang diskutiert worden (Selten 1993; Vanberg 1994; Burns/<strong>Die</strong>tz 1995;<br />

vgl. jedoch Giesen 1980).<br />

Wie die chemische und biologische Evolution von jeweils unterschiedlichen<br />

Operationsweisen getragen wurden, so verfügt auch die soziokulturelle<br />

Evolution über eine spezifische Entwicklungslogik. Um diese herauszustellen,<br />

sollen die zentralen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den<br />

biologischen und kulturellen Konzepten verdeutlicht werden. Der Evolutionsmechanismus<br />

wird hierbei entlang <strong>der</strong> Sequenzen Speicherung, Variation,<br />

Übertragung und Selektion verfolgt.<br />

Speicherung<br />

Evolution findet statt, wenn Formen relative Dauerhaftigkeit gewinnen, das<br />

heißt Strukturen entstehen, die nicht vollkommen starr, aber auch nicht vollkommen<br />

variabel sind. Donald Campbell (1969: 76–77) nennt dies »Retention«.<br />

In <strong>der</strong> biologischen Evolution ist die Beständigkeit <strong>der</strong> Gestalt von Organismen<br />

über historisch übertragene, in Genen kodierten Forminstruktionen<br />

verankert, die sich bei jedem Übertragungsschritt nur geringfügig verän<strong>der</strong>n.<br />

Einschränkende Bedingung ist, dass Informationen an das Überleben <strong>der</strong> Organismen<br />

als Informationsspeicher gebunden sind. <strong>Die</strong>s gilt für kulturelle<br />

Retention jedoch nur in beschränkterem Maße. Hier haben sich mit Verhaltenstraditionen<br />

und Artefakten zwei zusätzliche Codierungs- und Speicherungsformen<br />

entwickelt. Verhaltenstraditionen sind eine Form <strong>der</strong> Zwischenspeicherung<br />

in <strong>der</strong> lebenden Kultur einer Gemeinschaft. Auch sie sind an eine<br />

direkte Übertragung zwischen lebenden Organismen gebunden (Leroi-Gourhan<br />

1988; Krippendorf 1975). <strong>Die</strong> Aufgabe <strong>der</strong> Bewahrung ist allerdings angesichts<br />

<strong>der</strong> Verhaltensoffenheit des Menschen bei dieser Speicherungsform<br />

problematisch. Jede Person, die Verhalten än<strong>der</strong>t, reduziert die Übertragungswahrscheinlichkeit<br />

<strong>der</strong> Verhaltenstradition. <strong>Die</strong>s macht den Konformitätsdruck<br />

traditioneller Gesellschaften verständlich (Campbell 1969: 77).<br />

Mit <strong>der</strong> Speicherung evolutionärer Erfahrungen in Gegenständen hat <strong>der</strong><br />

Mensch sich von diesen Restriktionen weitgehend gelöst. Nun ist es sogar<br />

möglich, Informationen aus »toten Kulturen« zu nutzen. Neu daran ist, dass<br />

»vergegenständlichte Informationen« unabhängig von ihren Schöpfern<br />

weiterleben. Das wichtigste Artefakt hierbei ist die Schrift, die es ermöglicht,<br />

alle denkbaren Informationen in extrasomatischen Strukturen − von<br />

<strong>der</strong> Tontafel bis zur DVD − zu fixieren.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!