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Die Transformation der Telekommunikation: Vom ... - MPIfG

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76 Kapitel 2<br />

son<strong>der</strong>n immer an schon Existierendem anschließt. Biologisches o<strong>der</strong> kulturelles<br />

Rohmaterial wird nur mit mehr o<strong>der</strong> weniger großen Modifikationen<br />

weiterverarbeitet. Der Verarbeitungsprozess besteht in einem kontinuierlichen<br />

Interaktionsprozess <strong>der</strong> Lebensformen mit ihrer Umwelt. <strong>Die</strong> sich in<br />

diesem Verlauf erhaltenden »Formkerne« können als eine Art »gehärtete Erfahrung«<br />

betrachtet werden.<br />

Ob Variation und Selektion dabei bewusst o<strong>der</strong> unbewusst ablaufen, ist<br />

in dieser Perspektive sekundär. <strong>Die</strong> evolutionstheoretische Herangehensweise<br />

schließt nicht aus, dass Akteure mit Bewusstsein am Werk sind und für bestimmte<br />

gesellschaftliche Teilbereiche Normen, Institutionen, Technologien<br />

usw. intern bewusst vorselektieren. Ihr Wissen ist jedoch immer beschränkt<br />

und oft nur auf kurzsichtige Vorteile bedacht. Obwohl von weitgehend bewussten<br />

zielorientierten Akteuren vorangetrieben und in Teilbereichen kontrolliert,<br />

gibt es keine Instanz, die den Gesamtprozess <strong>der</strong> Gesellschaftsentwicklung<br />

unter Kontrolle hätte. Gesellschaftliche Entwicklung verläuft daher<br />

nicht mehr vollkommen blind, naturwüchsig und letztlich aber ungesteuert.<br />

Wie Karl Marx (1852) im »18. Brumaire« so einprägsam formulierte, machen<br />

die Menschen ihre eigene Geschichte, aber nicht aus freien Stücken,<br />

nicht unter selbstgewählten, son<strong>der</strong>n unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen<br />

und überlieferten Umständen. Man muss hinzufügen: ohne über die<br />

exakten Bedingungen, Abhängigkeiten und Langfristwirkungen ihres Handelns<br />

genau Bescheid zu wissen.<br />

Auch durch eine absichtsvolle Konstruktion von Regelsystemen wird <strong>der</strong><br />

evolutionäre Charakter institutioneller Entwicklung nicht beseitigt. Durch<br />

die positive Setzung bestimmter Rechts- und Verfassungsnormen werden<br />

spezifische institutionelle Steuerungswirkungen erwartet, und die jeweiligen<br />

institutionellen Formen werden immer in Bezug auf ihre erwartete Wirkung<br />

ausgewählt. <strong>Die</strong> tatsächliche Wirkung lässt sich aber erst im Nachhinein<br />

bewerten. Auch Gesetzes- und Verfassungskonstruktionen, die auf Erfahrungen<br />

an<strong>der</strong>er Nationen zurückgreifen, wirken im lokalen Kontext an<strong>der</strong>s,<br />

weil keine nationale politische Ökologie identisch ist. Selbst mit Imitationen<br />

sind in <strong>der</strong> Regel Variationen verbunden. Insofern ist man sich sogar bei<br />

Verfassungen, in <strong>der</strong>en Formulierung eine Gesellschaft sich offenbar »am<br />

meisten konzentriert«, nicht sicher, welche Strukturierungseffekte mit einem<br />

neuen konstitutionellen Arrangement tatsächlich verbunden sind.<br />

Institutionelle Entwicklungen verlieren daher, auch wenn sie sorgfältig<br />

geplant werden, niemals ihren evolutionären Charakter. Zum einen ist schon<br />

das Rohmaterial von »institution building« ein evolutionäres Produkt, eine<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger große Modifikation bereits existieren<strong>der</strong> Regelungs-

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