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JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

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Papst- und<br />

Kardinalsgrabmäler<br />

KUNSTWISSENSCHAFTEN 104<br />

einer „persönlichen“ Ikonographie und retrospektiven Memoria, die<br />

vollplastischen Thronfiguren dagegen eher in den Dienst einer<br />

„überpersönlichen“ Ikonographie und prospektiven Memoria treten.<br />

Garanten der Erinnerung sind auch architektonische Elemente wie<br />

z. B. das Motiv des Triumphbogens, ebenso Materialien von memorativ<br />

kaum steigbarer Effizienz wie Bronze und Marmor, wobei deren<br />

Oberflächenbearbeitung zahlreiche Papstgrabmälern jenen „Glanz“<br />

verleiht, der sie einmal mehr in der Erinnerung ihrer Betrachter bleiben<br />

lässt.<br />

„Die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der frühen Neuzeit:<br />

Form und Anspruch“ ist Gegenstand einer von der <strong>Stiftung</strong> geförderten<br />

Studie, der sich Prof. H. Bredekamp (Kunstgeschichtliches Seminar,<br />

Humboldt-Universität zu Berlin) und Prof. V. Reinhardt (Lehrstuhl<br />

für Allgemeine und Schweizer Geschichte, Universität Fribourg/Schweiz)<br />

widmen.<br />

Das Projekt hat die Bestandsaufnahme, Typologisierung, stilistische<br />

wie ikonologische Analyse sowie die kulturhistorische Ausdeutung<br />

jener Papst- und Kardinalsgrabmäler zum Gegenstand, die in Rom<br />

und seiner Umgebung (Latium) in der frühen Neuzeit entstanden<br />

sind. Der Schwerpunkt der Untersuchung wird bei den in Gegenreformation<br />

und Barock entstandenen Monumenten liegen; demgegenüber<br />

dient die Untersuchung von Werken des 18. Jahrhunderts<br />

und aus präreformatorischer Zeit vor allem der Erschließung von<br />

Vergleichskategorien.<br />

Die Zahl und künstlerische Qualität der in Rom erhaltenen Grabmäler<br />

von Angehörigen der gesellschaftlichen Oberschicht aus der<br />

zu untersuchenden Epoche dürfte weltweit einmalig sein. Der<br />

Hauptgrund für diesen Sachverhalt ist in den spezifischen politischen<br />

und gesellschaftlichen Strukturen zu suchen, die den Kirchenstaat<br />

auszeichneten, seiner im europäischen Vergleich doppelt<br />

eigentümlichen Verfassung als kirchliche und Wahl-Monarchie. Die<br />

sich daraus ergebende Verhinderung von dynastisch-herrscherlicher<br />

Traditionsbildung hatte weitreichende Folgen für die soziale Wirklichkeit<br />

insofern, als der kontinuierliche Wechsel von regierenden<br />

Familien zu einem außergewöhnlich mobilen und dementsprechend<br />

hochkompetitiven Sozialklima führte. Der Aufstieg einer Familie<br />

konnte in Rom leichter gelingen und weiter führen als irgendwo anders.<br />

Innerhalb der durch diese strukturellen Eigentümlichkeiten sozial<br />

besonders mobilen römischen Gesellschaft der frühen Neuzeit<br />

stellte die Perpetuierung von „memoria“ prominenter Familienmitglieder<br />

ein unverzichtbares Element kultureller Etablierungsstrategien<br />

dar. Grabmäler dienten nicht nur dazu, die Erinnerung an bedeutende<br />

Vorfahren wachzuhalten, sie boten vor allem auch die<br />

Möglichkeit, durch den Hinweis auf die legitimierende Existenz von<br />

Traditionslinien, Führungsansprüche in der Gegenwart und für die<br />

Zukunft zu untermauern. Zudem ist die Darstellung einer Herrschaftselite<br />

„sub specie aeternitatis“ höchst signifikant für die Normen,<br />

die das von ihr dominierte soziopolitische System strukturieren

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