12.12.2012 Aufrufe

JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Sachsen<br />

Elitenbildung<br />

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN 38<br />

Struktur. Während magisches Glaubenswissen eine handlungsorientierte<br />

Struktur aufweist und sich auf eine überschaubare<br />

Primärgruppe bezieht (Verwandtschaft, Grundherrschaft etc.), ist<br />

religiöses Glaubenswissen in erster Linie verbal ausgerichtet (z. B.<br />

Predigt, Katechese) und bezieht sich teils auf kosmische Zusammenhänge<br />

(heilsgeschichtliche Deutungen der Glaubenslehren),<br />

teils auf die von den Gläubigen zu befolgenden ethischen Handlungsmechanismen<br />

(z. B. 10 Gebote). Die Tatsache, dass religiöses<br />

Glaubenswissen auf einen sozial generalisierten Raum und<br />

auf ethische Handlungsmaximen bezogen ist, macht es zu einem<br />

dem Territorialstaat und der Marktgesellschaft strukturell kongenialen<br />

Handlungsregulativ.<br />

– Zweitens erfordert die Konfessionalisierung den Aufbau einer<br />

flächendeckenden Kirchenorganisation, entsprechend ausgebildete<br />

Rollenträger (studierte Geistliche) und standardisierte Verfahren,<br />

die vor allem der vertikalen Kommunikation zwischen<br />

kirchlichen Oberbehörden und Kirchenvolk dienen und den<br />

Wandel des Glaubenswissens ermöglichen und unterstützen.<br />

Bisherige klassische Formulierungen des Konfessionalisierungskonzepts<br />

haben argumentiert, dass die institutionelle Entwicklung von<br />

Konfessionskirchen in enger Verbindung mit der Entwicklung der<br />

frühneuzeitlichen Staatlichkeit gestanden und über die Akkulturation<br />

der populären Glaubenspraxis an die hochkirchliche Religiosität<br />

sowie die Sozialdisziplinierung der Gläubigen zur Verfestigung der<br />

Untertanengesellschaft beigetragen habe. Neuere Forschungen jedoch<br />

stellen den Bezug zwischen Konfessionalisierung, Staat und Sozialdisziplinierung<br />

in Frage und betonen, dass die Dynamik des Konfessionalisierungsvorgangs<br />

nicht in erster Linie durch die Entwicklung<br />

des Staates, sondern vielmehr durch die Nachfrage der (ländlichen)<br />

Gesellschaft nach Verfahren der Sozialregulierung bestimmt<br />

gewesen sei. Sie gehen davon aus, dass die Machtmittel des frühmodernen<br />

Staates für das Durchsetzen seiner Ansprüche zu gering<br />

gewesen wären und die Gemeinden ihr sittlich-religiöses Zusammenleben<br />

weitgehend autonom geregelt hätten.<br />

Vor dem Hintergrund dieser Frage um „Etatismus“ vs. „Kommunalismus“<br />

soll untersucht werden, welche Faktoren den Vorgang der<br />

Konfessionalisierung steuern; insbesondere, wie Wissensbestände,<br />

Werteorientierungen und Formen ritueller Praxis verschiedener<br />

Gruppen (Kirchenvolk, lokale Kirchenbehörden, Klerus, territoriale<br />

Kirchenbehörden) in Verfahren, die diese miteinander in Beziehung<br />

setzten, Eingang fanden und wie sie sich in der Ausgestaltung von<br />

Behörden und Institutionen niederschlugen.<br />

Prof. G. Wartenberg (Institut für sächsische Geschichte und Volkskunde<br />

e. V. Dresden) erforscht mit Unterstützung der <strong>Stiftung</strong> die<br />

„Eliten-Bildung in Sachsen. Die Ausbildungsstrategien an den sächsischen<br />

Fürstenschulen im Kaiserreich und der Weimarer Republik“.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!