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JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

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Gustav<br />

Stresemann<br />

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN 48<br />

nen des Politischen besaß oder ob er – insbesondere in seiner Funktion<br />

als Reichspräsident – zu einem wirklichen Staatsmann reifte.<br />

Die <strong>Fritz</strong> <strong>Thyssen</strong> <strong>Stiftung</strong> bewilligte Prof. K. H. Pohl (Erziehungswissenschaftliche<br />

Fakultät/Abteilung Geschichte, Universität Kiel) für<br />

die Erstellung einer „Biographie Gustav Stresemanns (1878 bis<br />

1929)“ Fördermittel.<br />

Das Leben keines Politikers in der Weimarer Republik ist bislang so<br />

intensiv und kontrovers erforscht worden, wie das von Gustav Stresemann.<br />

Unumstritten gilt er als der herausragende deutsche Politiker<br />

in der mittleren Phase der Weimarer Republik. Seine Außenpolitik<br />

wurde von den einen als europäische Friedenspolitik gelobt, von<br />

den anderen als verschleierte und aggressive nationale Machtpolitik<br />

verdammt. Seine Innen- und Sozialpolitik schien zwar im kaiserlichen<br />

Denken verhaftet zu sein, ging aber doch auch auf die Realitäten<br />

einer parlamentarischen und sozialen Demokratie ein. Nicht<br />

zuletzt hat die Entwicklung seiner Persönlichkeit vom alldeutschen<br />

Annexionisten zum „Vernunftrepublikaner“ und Friedensnobelpreisträger<br />

immer wieder die Fachwissenschaft fasziniert. Das schlug<br />

sich u. a. in mehr als zehn Biographien nach 1955 nieder. Stresemann<br />

scheint heute nicht nur bekannt, sondern auch unumstritten zu sein.<br />

Warum dann noch eine Biographie?<br />

Die neue Arbeit will zum einen die „Ungleichgewichtigkeit“ in der<br />

bisherigen Forschung überwinden. Bislang existierte Stresemann<br />

nämlich praktisch erst seit 1914. Die Zeit seines Wirkens in Sachsen<br />

diente fast allen Biographen nur als Vorbereitung für seine spätere<br />

Tätigkeit in der Weimarer Republik. Tatsächlich übte Stresemann jedoch<br />

schon in seiner „sächsischen Phase“ von 1902 bis 1914 (1918)<br />

einen erheblichen Einfluss auf die regionale sächsische, zugleich<br />

aber auch auf die deutsche Politik aus. Er führte in dieser Zeit die<br />

sächsischen Nationalliberalen in einer für den gesamten deutschen<br />

Liberalismus vorbildlichen Weise aus der Bedeutungslosigkeit ins<br />

Zentrum der politischen Macht. Als Syndikus des Verbandes Sächsischer<br />

Industrieller (VSI) machte er diesen fast im Alleingang zum bedeutendsten<br />

regionalen Wirtschaftsverband im Deutschen Reich und<br />

zum engsten Verbündeten der sächsischen Liberalen. Aus dieser Allianz<br />

entwickelte sich eine relativ „moderne“ Wirtschafts- und Sozialpolitik,<br />

die partiell bereits auf das gesamte Reich ausstrahlte. Eine<br />

neue Perspektive kann also die Chancen eines neuen, jungen Liberalismus<br />

im Kaiserreich verdeutlichen, kann die Innovationen von<br />

Wirtschafts- und Sozialpolitik und die bereits in der Vorkriegszeit intendierte<br />

Annäherung von Kapital und Arbeit herausarbeiten und<br />

vor allem die Ausstrahlung dieser Entwicklung auf die spätere Weimarer<br />

Republik verständlich machen.<br />

Aber auch auf einem scheinbar bekannten Terrain, der Außenpolitik<br />

in der Weimarer Republik, zeigt sich die Notwendigkeit einer modifizierten<br />

Sichtweise. Nach der deutschen Vereinigung 1989 stellt sich<br />

etwa die Frage der Bewertung der europäischen oder nationalen

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