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JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

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119<br />

KUNSTWISSENSCHAFTEN<br />

für Privatgärten auch im Ruhrgebiet und die Teilnahme an der<br />

Industrie- und Gewerbe-Ausstellung 1902 in Düsseldorf. Ein Vergleichsbeispiel<br />

für die Zusammenarbeit beider Planer stellt das 1900<br />

errichtete Haus Harderode am Ith dar.<br />

Im Rahmen der Untersuchung werden die Villenbauten des deutschen<br />

Wirtschaftsbürgertums in der Zeit zwischen Kaiserreich und<br />

Weimarer Republik vergleichend eingebunden sowie das Thema<br />

„Kunst und Architektur um 1900 im Spannungsfeld von Tradition<br />

und Reform“ an Schloss Landsberg und an verwandten Bauvorhaben<br />

vertieft.<br />

Für den Umbau von Schloss Landsberg können bis ins 18. Jahrhundert<br />

zurückreichende Planunterlagen hinzugezogen werden. Sie<br />

verdeutlichen, dass die strukturellen Eingriffe in das bauliche Gefüge<br />

überwiegend aus der Zusammenlegung von Räumen, der Ergänzung<br />

des Wintergartens und der Überformung der Fassade bestanden.<br />

Die erhaltenen Planmaterialien werden durch ein aktuelles<br />

Aufmaß der Gebäudekontur ergänzt und somit quellenkritisch eingeordnet.<br />

Die Ausstattung wurde 1903 ganz im Stil der Zeit erneuert, und nur<br />

wenige Spolien der Vorgängeranlage (Kaminplatten und Wappensteine)<br />

fanden Wiederverwendung. Das Mobiliar (im Wesentlichen<br />

von der zeitgleich auch in der Kruppschen Villa Hügel tätigen Mainzer<br />

Firma Bembé ausgeführt) und besonders das sogenannte Pariser<br />

Bad (ausgestellt auf der Weltausstellung 1900 und zusammen mit der<br />

übrigen Sanitärausstattung auf Landsberg hergestellt von der Straßburger<br />

Firma Voltz & Wittmer) verweisen dabei auf die zeitspezifische<br />

Programmatik in Kunst, Architektur und Innenarchitektur um<br />

1900. In diesem Kontext erscheint Schloss Landsberg auf der Höhe<br />

der zeitgenössischen Reformdiskussion.<br />

Ein für den interdisziplinären Ansatz ergiebiges Untersuchungsfeld<br />

bietet die in großen Teilen noch heute auf Landsberg präsentierte<br />

„Kunstsammlung“ August <strong>Thyssen</strong>s, darunter auch fünf Marmorskulpturen<br />

von Auguste Rodin sowie ein Porträt des von <strong>Thyssen</strong><br />

hochverehrten Reichskanzlers von Bismarck, ein Werk Franz von<br />

Lenbachs. Intention und Charakter der Sammlung geben Aufschlüsse<br />

über das Selbstverständnis August <strong>Thyssen</strong>s als Mäzen und<br />

als kunstsinniger Industrieller.<br />

Wirtschaftsbürgerliche Lebensführung wird grundlegend von der jeweiligen<br />

regionalen topographischen Konfiguration, von den Raumund<br />

Siedlungsstrukturen, in denen sich Bürgerlichkeit entfaltet, beeinflusst.<br />

August <strong>Thyssen</strong> bewegte sich im Ruhrgebiet in einem gesellschaftlichen<br />

Raum, der sich weder durch eine hohe räumliche<br />

Konzentration von Unternehmerwohnsitzen, noch durch eine gewachsene<br />

bürgerliche Infrastruktur auszeichnete. Das großbürgerliche<br />

Milieu an der Ruhr, in dem klassische bürgerliche Institutionen<br />

(Salons, Vereine, Theater und Museen etc.) weitgehend fehlten, der<br />

Zwang zu einer homogenen Lebensführung gering ausgeprägt war,

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