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JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

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Ostpreußen<br />

Juden<br />

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN 50<br />

Dienstleistungen bis hin zur Finanzorganisation des absolutistischen<br />

Staates. Es eröffnete ihnen enorme Verdienstmöglichkeiten, politischen<br />

Handlungsspielraum und neue Kommunikationsformen. Einen<br />

Wandel der jüdischen Kultur bedeutete dies jedoch zunächst<br />

nicht. Erst in einer zweiten Phase zwischen 1730 und 1770 lockerten<br />

sich zeitweise die Bindungen der Hofjuden an die jüdische Tradition.<br />

Angesichts einer nicht mehr ausschließlichen jüdischen Sozialisation<br />

und durch eine Fülle ihnen zur Verfügung stehender Repertoires<br />

verunsichert, ließ sich die Generation der in dieser Zeit geborenen<br />

Nachkommen besonders bei ökonomischem Misserfolg häufig taufen.<br />

Die spät aufsteigenden Hofjuden seit 1770 dagegen fanden ein<br />

von der europäischen Aufklärung geprägtes Umfeld vor, in dem gehobener<br />

Lebensstil und erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten<br />

neuen Handlungsspielraum für eine jüdische Politik eröffnete, die<br />

auch auf Emanzipation und Reform zielen konnte und dabei das traditionelle<br />

kulturelle Selbstverständnis sowie die gesammelten politischen<br />

Erfahrungen integrierte.<br />

Ziel der Untersuchung ist es, die Akkulturation der jüdischen Oberschicht<br />

und darin besonders der Hofjuden zu analysieren. Darüber<br />

hinaus soll mit der Frage nach dem Handlungsspektrum zwischen<br />

Tradition und kulturellem Wandel sowie mit der Frage nach dem Beginn<br />

der jüdischen Moderne ein Beitrag zu einer differenzierteren<br />

Sicht des Transformationsprozesses, seiner Akteure und seiner alltäglichen<br />

kulturellen Relevanz geleistet werden. Durch eine prosopographische,<br />

individual- und familienbiographische Herangehensweise<br />

sollen die sozialen und kulturellen Kontexte, Handlungen, Bedeutungen<br />

und Identitäten, die Auswirkungen der Stellung von Hofjuden<br />

auf Person, Familie und gesellschaftliches Umfeld exemplarisch<br />

beleuchtet werden. Lebensstil, Lebensführung, Erziehung der<br />

Kinder, verwandtschaftliche Vernetzung, Engagement für die jüdische<br />

Gemeinde etc. sind die relevanten Themen, die vor dem Hintergrund<br />

des Diskurses über gesellschaftliche Eliten behandelt werden<br />

sollen. Schließlich wird auch der vielfach als selbstverständlich vorausgesetzte<br />

Konnex zwischen Akkulturation und Modernisierung/<br />

Fortschritt/Gewinn und zwischen Akkulturation und Säkularisierung<br />

zu hinterfragen sein.<br />

Mit den „Erfahrungen von Grenze und Ausgrenzung. Juden in Ostpreußen“<br />

beschäftigt sich ein von der <strong>Stiftung</strong> gefördertes Projekt,<br />

dem sich Prof. H. A. Winkler (Institut für Geschichtswissenschaften,<br />

Humboldt-Universität zu Berlin) widmet.<br />

Im Zentrum des Forschungsvorhabens steht die Geschichte der jüdischen<br />

Landbevölkerung im ostpreußisch-litauischen Grenzgebiet<br />

zwischen 1812 und 1942.<br />

Die Geschichte des deutschen Judentums im 19. Jahrhundert ist vorwiegend<br />

durch Migrationsprozesse gekennzeichnet. Am Anfang<br />

stand häufig der Übertritt von einer Kultur in eine andere, dann folgen<br />

Wanderungen vom Dorf in die Stadt, vom Osten in den Westen.

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