JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

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KUNSTWISSENSCHAFTEN
der wichtigsten des Reiches. Die von den Landgrafen vom 16. bis
zum 18. Jahrhundert zusammengetragenen Bestände der Kunst- und
Silberkammer zählen zu den herausragendsten ihrer Art von internationalem
Ruf. Sie umfassten Kunstgegenstände von namhaftesten
Künstlern ihrer Zeit und von herausragender Qualität wie prunkvolle
Gold- und Silberschmiedearbeiten, gefasste Straußeneier, Kokosnüsse,
Hornbecher, Nautiluspokale, Schmuck und Pretiosen. Gefäße
und Skulpturen aus gedrechseltem und geschnitztem Elfenbein,
Bernstein, Achat oder Bergkristall gehörten ebenso zum Besitz der
Landgrafen wie Kunstkammerschränke, Wachsskulpturen oder
Kleinbronzen. Zu den Sammlungen zählten ebenso „Naturalia“ wie
ausgestopfte Schlangen oder seltsame Geweihe und eine reiche
Sammlung an „Scientifica“, wissenschaftlichen Instrumenten und
Uhren. Als Sammlungs- und Forschungsstätte, Studienraum und Labor
wurden in Kassel wie in vergleichbaren höfischen Sammlungen
alle diese Erzeugnisse der Natur und des Menschen zusammen präsentiert,
und es sollten die Kunstfertigkeit und die wissenschaftlichen
Möglichkeiten, mit denen der Mensch diese natürlichen Materialien
bearbeitete, erforscht werden.
Anders als die Kunst- und Schatzkammern der Habsburger in Prag,
Wien und Ambras, der Wittelsbacher in München oder der Wettiner
in Dresden, sind die Kasseler Bestände und ihre Geschichte bislang
jedoch kaum erschlossen. Ziel des Projektes ist eine umfassende
Publikation zur Kasseler Kunst- und Silberkammer, mit der eine
Neupräsentierung der Objekte verbunden sein wird. Darin sollen
Entstehung und Geschichte der gesamten Kasseler Kunst- und Silberkammer
– ob Naturalia, Scientifica oder Arteficialia – dargelegt
werden. Im Katalogteil soll als Kernbestand der Kunst- und Silberkammer
die ca. 800 Werke umfassende Sammlung der Kunstgegenstände
vorgestellt werden.
Die Stiftung unterstützt Prof. T. W. Gaethgens (Deutsches Forum für
Kunstgeschichte, Paris) bei dem Vorhaben „Französische Kunst im
Nachkriegsdeutschland – Deutsche Moderne in Frankreich nach
1945. Deutsch-französisches Forschungsprojekt zum Kunst- und Kulturtransfer
im 20. Jahrhundert“.
Das Vorhaben versteht sich als Beitrag zur europäischen Kunst- und
Kulturgeschichte, wobei die deutsch-französischen Beziehungen der
Nachkriegszeit in den Blick genommen und durch die systematische
Auswertung von grenzüberschreitenden Künstlerkontakten, Quellen,
Ausstellungen, kritischen Stellungnahmen und kunstpolitischen
Zielsetzungen in ihrer historischen Perspektive erforscht werden sollen.
Die unterschiedlichen Motivationen dieses Kulturtransfers bis
1959 nachzuzeichnen, also bis zur documenta II – zu diesem Zeitpunkt
setzt der europäische Siegeslauf des amerikanischen abstrakten
Expressionismus ein -, ist bislang nur in Ansätzen geleistet worden
und könnte die Kulturgeschichte der Nachkriegsmoderne in einer
prägnanten Gegenüberstellung der wechselseitigen Wahrnehmungen
vergegenwärtigen.
Deutschland/
Frankreich
Kunst nach 1945