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JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

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GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN 44<br />

rungsrat auf und wurde mit der Aufgabe betraut, im Rahmen einer<br />

neuen Afrika-Expedition im Sudan einen Aufstand gegen die britische<br />

Kolonialherrschaft zu organisieren. Ab 1923 besuchte Frobenius<br />

Wilhelm II. in dessen holländischem Exil regelmäßig, um von seinen<br />

Forschungsreisen und wissenschaftlichen Aktivitäten zu berichten.<br />

Seit 1927 nahmen die Begegnungen die Form von Tagungen („Doorner<br />

Arbeits-Gemeinschaft“/DAG) an, an denen sich u. a. auch einige<br />

Mitglieder des „Forschungsinstituts für Kulturmorphologie“, das<br />

Frobenius 1922 in München gegründet und 1925 nach Frankfurt am<br />

Main verlegt hatte, sowie niederländische Wissenschaftler der Universitäten<br />

Utrecht und Leiden beteiligten.<br />

Parallel zu diesen Besuchen in Haus Doorn entwickelte sich ein intensiver<br />

Briefwechsel zwischen dem Exil-Kaiser und dem Kulturforscher.<br />

Der Bestand umfasst 553 Schriftstücke. Es handelt sich<br />

hauptsächlich um Schreiben von Frobenius an Wilhelm II. (89 Briefe)<br />

und Wilhelm II. an Frobenius (118 Briefe und Telegramme). Weitere<br />

Korrespondenten sind vor allem der Hofmarschall Wilhelms, Graf<br />

von Schwerin, und die Mitglieder des königlichen Hofes in Doorn,<br />

z. B. Kaiserin Hermine. Der Umfang der Schriftstücke variiert zwischen<br />

Postkarten und Telegrammen einerseits und ausführlichen<br />

Briefen mit bis zu 20 Seiten Umfang andererseits.<br />

Unter den Schriftstücken von Frobenius befinden sich anschauliche<br />

Berichte von seinen Expeditionen, die ein eindrucksvolles Bild der<br />

Bedingungen vor Ort in Afrika liefern, aber auch Aufschluss über die<br />

methodischen und empirischen Grundlagen seiner Arbeit und der<br />

hieraus abgeleiteten Erkenntnisse und Ergebnisse geben. Auffällig<br />

ist, dass er teilweise politische Folgerungen aus seinen wissenschaftlichen<br />

Ergebnissen ableitet, die den Exil-Kaiser in seinen Vorstellungen<br />

und Absichten bestärken. Immer wieder wird auf die unmittelbar<br />

zurückliegenden Ereignisse des Weltkrieges, der Revolution und<br />

der Absetzung des Kaisers rekurriert und hierbei die Sichtweise des<br />

Kaisers und seiner Umgebung widergespiegelt.<br />

Die Schreiben Wilhelms II. legen seine Selbsteinschätzung, seine<br />

Hoffnung auf Wiedererrichtung der Hohenzollern-Monarchie, aber<br />

auch seine Haltung gegenüber der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus<br />

dar. Darüber hinaus gehen sie auf kulturgeschichtliche<br />

Interessengebiete des ehemaligen Kaisers, insbesondere die<br />

Religionsgeschichte, die Mythologie und Symbolik, ein, wobei die<br />

behandelten Themen immer wieder unter seinem spezifischen Blickwinkel<br />

der Überlegenheit der deutschen gegenüber der westeuropäischen<br />

Kultur interpretiert werden.<br />

Das historische Interesse an diesen Kontakten und diesem Briefwechsel<br />

resultiert daraus, dass dort ein Wissenschaftsverständnis<br />

vorherrscht, welches von einer morphologischen Betrachtungsweise<br />

eine Weiterentwicklung und Erneuerung der Geistes- und Naturwissenschaften<br />

erwartet. Diese Gelehrten suchen sich vom damals herrschenden<br />

Positivismus im Wissenschaftsbetrieb abzusetzen und ei-

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