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JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

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105<br />

KUNSTWISSENSCHAFTEN<br />

und repräsentieren. Die römischen Grabmäler sind so als bildliche<br />

Inszenierung des Kodex karriere- und renommeeträchtiger Werte zu<br />

verstehen, der allgemein von der Herrschaftselite approbiert, aber<br />

auch in regelmäßigen Abständen neu definiert wurde. Als integraler<br />

Bestandteil des Kanons ritueller und symbolischer Gesten, der die sozialen<br />

und funktionalen Beziehungen der neuzeitlichen Kurie in so<br />

hohem Maße bestimmt, versinnbildlichten die Papst- und Kardinalsgrabmäler<br />

den hierarchisch geprägten, politischen Anspruch der<br />

verschiedenen Elitegruppen.<br />

Aufgabe des „Corpus der römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler“<br />

ist es, nicht nur den Bestand an Monumenten im engeren<br />

kunsthistorischen Sinn deskriptiv zu erfassen und stilkritisch zu untersuchen,<br />

sondern auch in den Kontext ihrer kulturellen, mentalen<br />

und soziokulturellen Entstehungsbedingungen einzubetten und sie<br />

als gezielt eingesetzte Instrumente zur Legitimation, Fundamentierung,<br />

Intensivierung und Dynamisierung von Macht und Status ihrer<br />

Auftraggeber zu deuten. Die Auswertung des durch die Grabmäler<br />

konstituierten Quellenmaterials gestattet es, Einblick in die Binnenstruktur<br />

der Kurie sowie die Schichtung und Konkurrenz der mit ihr<br />

ebenso konfliktträchtig wie unauflöslich verflochtenen römischen<br />

Elitensegmente zu gewinnen. Schließlich erlaubt die Untersuchung<br />

Rückschlüsse auf die Normen und den Normenwandel prestigeträchtiger<br />

Autorepräsentation einer präzise umrissenen Funktionselite<br />

mit europäischer Ausstrahlung, die bis zum Ende des Alten Reiches<br />

ungebrochen blieb.<br />

Die lückenlose Katalogisierung der Papstgrabmäler in Rom und im<br />

Latium ist bereits durch eine Studie von Martin Borgolte („Petrusnachfolge<br />

und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese<br />

und Traditionsbildung“, 1989) abgeschlossen. Sie wird für das<br />

Corpus-Projekt die Grundlage zur Analyse der Papstgrabmäler der<br />

frühen Neuzeit sein. Dagegen muss die vollständige Erfassung der<br />

zahlreichen Kardinalsgrabmäler in Rom und Latium noch geleistet<br />

werden. Um diese Monumente ausfindig zu machen, um weitere Informationen<br />

zu den Mitgliedern der römischen Kurie und der Kardinalsfamilien<br />

zu erhalten, ist u. a. auch auf schriftliche Quellen, die in<br />

den Archiven des Vatikans und römischer Adelsfamilien lagern,<br />

zurückzugreifen.<br />

Die interdisziplinären Ansätze, die sich aus dem „Corpus-Projekt“<br />

ergeben, lassen es wünschenswert erscheinen, die gewonnenen Erkenntnisse<br />

auf Forschungskongressen zur Diskussion zu stellen. Als<br />

Teilnehmer sollen dazu neben Historikern und Kunsthistorikern<br />

auch Wissenschaftler benachbarter Disziplinen, etwa Archäologen,<br />

Philologen, Soziologen und Anthropologen eingeladen werden. Es<br />

ist vorgesehen, die Ergebnisse des Forschungsprojekts in einem Katalog<br />

zur päpstlichen Sepulkralkunst in der frühen Neuzeit (inklusive<br />

fotographischer Dokumentation) zu publizieren.

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