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JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

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„Volksprodukte“<br />

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN 54<br />

Insbesondere lassen sich auf der Grundlage dieser Ergebnisse erste<br />

Aussagen über eine weitere zentrale Fragestellung dieses Projektes<br />

machen, nämlich inwieweit die NS-Wirtschaftspolitik zu einer langfristigen<br />

Modernisierung der deutschen Industrie beigetragen hat. So<br />

kam es im Chemiefasersektor zu einem dramatisch starken Kapazitätszuwachs<br />

zwischen 1933 und 1938. Kontrafaktische Überlegungen,<br />

gestützt auf vergleichbare internationale Entwicklungen und die<br />

damals entstehende Marktforschung, weisen jedoch deutlich darauf<br />

hin, dass auch unter Normalbedingungen im Chemiefasersektor die<br />

Kapazitäten erheblich ausgedehnt worden wären. Damit aber kann,<br />

jedenfalls für diese Branche, aus dem Umstand, dass die Produkte<br />

auch unter marktwirtschaftlichen Bedingungen nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg wettbewerbsfähig waren, nicht geschlossen werden, dass<br />

dies hauptsächlich eine, wenn auch nicht intendierte Folge einer erfolgreichen<br />

Industriepolitik des NS-Regimes war. Diese auf vergleichenden<br />

Überlegungen beruhende, kontrafaktische Methode der Rekonstruktion<br />

unternehmerischer Erwartungen empfiehlt sich grundsätzlich<br />

auch für die Betrachtung weiterer industrieller Branchen im Dritten<br />

Reich. Nicht jede Änderung zwischen 1933 und 1939, selbst wenn<br />

sie mit den Zielen des NS-Regimes einherging, muss notwendigerweise<br />

mit einer ausschließlich oder überwiegend von der NS-Wirtschaftspolitik<br />

angestoßenen Entwicklung gleichgesetzt werden.<br />

Die <strong>Fritz</strong> <strong>Thyssen</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützt Prof. W. König (Institut für Philosophie,<br />

Wissenschaftstheorie, Wissenschafts- und Technikgeschichte,<br />

TU Berlin) bei der Bearbeitung des Themas „Nationalsozialistische<br />

,Volksprodukte‘. Konsum, Konsumpolitik und Konsumpropaganda<br />

im Dritten Reich“.<br />

Unter der nationalsozialistischen Herrschaft erhielten eine Reihe geplanter<br />

und zum Teil auf den Markt gebrachter langlebiger technischer<br />

Konsumgüter von offiziellen Stellen das Epitheton „Volk“:<br />

„Volksempfänger“, „Volkswagen“, „Volkskühlschrank“. An die<br />

Ideologie der „Volksgemeinschaft“ anknüpfend, bedeutete dies in<br />

den Augen des Regimes eine Auszeichnung. Anderen „Gemeinschaftsgeräten“,<br />

wie dem „Einheits-Fernsehempfänger E1“, wurde<br />

die Bezeichnung Volksfernseher in der öffentlichen Diskussion verliehen.<br />

Zusätzlich brachten einige Industriefirmen „Volkswagen“ –<br />

so Ford –, „Volksmotorräder“, „Volksplattenspieler“, „Volksherde“<br />

und anderes auf den Markt, wurden aber von offiziellen Stellen an<br />

der weiteren Verwendung der Bezeichnungen gehindert. Zwischen<br />

Staats- und Parteistellen kam es zu Auseinandersetzungen um Begriffe<br />

wie „Volkswohnungen“ und „Führerwohnungen“. Die meisten<br />

„Volksprodukte“ waren für den Massenkonsum breiter Bevölkerungsschichten<br />

gedacht. In diesen Zusammenhang gehören auch<br />

Planungen der deutschen Arbeitsfront für den Bau von Seebädern<br />

und Kreuzfahrtschiffen für den Massentourismus.<br />

Das Forschungsprojekt untersucht diese spezifische Gruppe nationalsozialistischer<br />

Konsumgüter erstmals im Zusammenhang. Die Initiativen<br />

für Planung und Produktion entstanden in unterschiedlichen

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