12.12.2012 Aufrufe

JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

73<br />

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN<br />

sten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ abschließend Mittel gewährt. Über<br />

das Projekt wurde zuletzt im Jahresbericht 1997/98 (S. 76 f.) berichtet.<br />

Hauptanliegen des Forschungsvorhabens ist es, die Entwicklung der<br />

Semitistik, Arabistik und Islamwissenschaft und die Ausbildung unterschiedlicher<br />

Fachorientierungen im Zusammenhang von Selbstverständnis,<br />

Anwendungsfeldern, Materialerschließung und übergreifenden<br />

geistesgeschichtlichen Entwicklungen zu erfassen.<br />

Die Disziplinen, die sich mit dem Vorderen Orient befassen, haben in<br />

der europäischen Wissenschafts- und Geistesgeschichte eine lange<br />

Tradition. Sie stehen historisch und systematisch in enger Beziehung<br />

zueinander und haben im Verlauf ihrer Entwicklung unterschiedliche<br />

Gewichtungen und Ausrichtungen erfahren.<br />

Insbesondere während des Wilhelminischen Kaiserreiches, das gegen<br />

Ende des 19. Jahrhunderts seine Beziehungen zum Osmanischen<br />

Reich auf allen Gebieten intensivierte und in anderen Regionen<br />

Kolonialbesitz erwarb, erhielten die semitischen Sprachen, die<br />

für den Vorderen Orient relevant waren, einen neuen Stellenwert im<br />

Universitäten-Bildungsangebot. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

wurden an vielen Universitäten orientalische Seminare eingerichtet,<br />

um den Unterricht für Studenten systematischer zu organisieren und<br />

die Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Begleitung der überseeischen<br />

Kontakte zu erweitern. Nach dem Verlust der überseeischen<br />

Territorien und der Einschränkung von Kooperationsmöglichkeiten<br />

und Aufenthalten im Orient nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte<br />

eine Reakademisierung des Faches und eine Rückbesinnung<br />

auf den Beitrag dieser Studien für die europäische Identitätsfindung.<br />

Die Weltwirtschaftskrise, die Entlassung diskriminierter Gelehrter<br />

während der NS-Zeit sowie die Erfordernisse der Kriegszeit zogen<br />

schließlich erhebliche Beschneidungen des Lehr- und Forschungsbetriebes<br />

nach sich und führten zu einem erneuten Paradigmenwechsel<br />

in der Orientforschung.<br />

Die Forschungsarbeiten basieren auf der Auswertung von Gelehrtennachlässen.<br />

Es soll untersucht werden, wie die Fachvertreter ihre<br />

wissenschaftliche Tätigkeit wahrnahmen und auf Veränderungen<br />

der Rahmenbedingungen reagierten. Insbesondere soll der Frage<br />

nachgegangen werden, welche Auswirkungen der Verlust der überseeischen<br />

Territorien nach dem Ersten Weltkrieg auf die Konzeption<br />

und Schwerpunktsetzung der Orientalistik hatte und welche Veränderungen<br />

des hermeneutischen Horizonts in der Semitistik, die noch<br />

zur Jahrhundertwende alle vorderasiatischen Sprachen sowie die islamische<br />

und jüdische Religion umfasste, auszumachen sind. Ziel ist<br />

es, die Überlegungen der Wissenschaftler zu Voraussetzungen und<br />

Möglichkeiten einer sachlichen und sachgerechten Betrachtung der<br />

vorderasiatischen und nordafrikanischen Länder, des Islam als Religion<br />

und als Kultur sowie der Geschichte der Literaturen und Völker<br />

in dieser Region zu untersuchen und die Genese des deutschen<br />

„Sonderweges“ in der Orientforschung zu beschreiben.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!