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JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

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MEDIZIN UND NATURWISSENSCHAFTEN<br />

durch die <strong>Stiftung</strong> unterstützten Vorhabens von Dr. J. Kohlhase und<br />

PD Dr. S. K. Bohlander, Institut für Humangenetik, Universität Göttingen.<br />

Beim Townes-Brocks-Syndrom handelt es sich um ein autosomal dominant<br />

vererbtes Fehlbildungssyndrom, das durch Fehlbildungen von<br />

Anus, Extremitäten, Ohren und Nieren gekennzeichnet ist, weitere<br />

Auffälligkeiten umfassen geistige Retardierung, Herzfehler, Hirnnervenlähmungen<br />

und Nierenversagen. Die Symptomatik variiert innerhalb<br />

einer Familie, beziehungsweise zwischen verschiedenen Familien<br />

sehr stark. Aus Analysen an zwei betroffenen Familien hat man<br />

den Genlocus bei 16q12.1 festmachen können. Die Göttinger Arbeitsgruppe<br />

konnte zeigen, dass Mutationen im Gen SALL1 an der Entwicklung<br />

des Townes-Brocks-Syndroms ursächlich beteiligt sind.<br />

SALL1 kodiert für einen sogenannten Transkriptionsfaktor, ein Protein,<br />

das an gewisse Erkennungssequenzen seines Zielgens bindet<br />

und so dessen Expression positiv oder negativ beeinflusst, wobei allein<br />

die Bindung an die DNA noch nicht hinreicht, die Funktion zu<br />

regulieren. Hierzu bedarf es einer Wechselwirkung des Transkriptionsfaktors<br />

mit anderen Proteinen der Transkriptionsmaschinerie<br />

und weiteren Kofaktoren. Im Falle des Genprodukts von SALL1 handelt<br />

es sich um einen Zinkfinger-Transkriptionsfaktor, der eng mit<br />

dem vom Drosophila-Gen spalt kodierten Protein verwandt ist. Die<br />

bekannten Mutationen in SALL1 führen mit („frameshift mutation“)<br />

oder ohne Verschiebung des Leserasters („nonsense mutation“) immer<br />

zu einem vorzeitigen Translationsstop; in beiden Fällen kommt<br />

wahrscheinlich kein funktionstüchtiges Protein zustande. Auf welche<br />

Weise die verminderte Menge an funktionellem SALL1-Protein<br />

zum Erkrankungsbild führt, ist bislang unklar. Überdies war bislang<br />

nur bei etwa einem Viertel der untersuchten Patienten mit vermutetem<br />

Townes-Brocks-Syndrom eine Mutation in SALL1 nachzuweisen,<br />

wobei Patienten mit „klassischem“ Krankheitsbild zu etwa 60<br />

Prozent eine Mutation aufweisen.<br />

Damit erhebt sich die Frage, ob in den Fällen ohne SALL1-Mutation<br />

Mutationen in den zu erwartenden Interaktionspartnern von SALL1<br />

für die Entstehung der Krankheit verantwortlich sein könnten. Im<br />

Rahmen des geförderten Projekts sollen solche Interaktionspartner<br />

gesucht und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Entstehung des<br />

Townes-Brocks-Syndroms charakterisiert werden. Bislang konnten<br />

einige interessante Ergebnisse erzielt werden. So konnte nachgewiesen<br />

werden, dass SALL1 tatsächlich die Expression von Genen beeinflusst:<br />

das Protein entfaltet an Promotoren eine reprimierende Wirkung.<br />

Der TBS-Phänotyp scheint also dadurch verursacht zu werden,<br />

dass – bedingt durch den Ausfall eines SALL1-Allels – bestimmte bislang<br />

unbekannte Gene stärker exprimiert werden. Darüber hinaus<br />

konnte die intrazelluläre Lokalisation von SALL1 bestimmt werden.<br />

Mittels Fluoreszenzmikroskopie ließ sich das Protein an pericentromerischem<br />

Heterochromatin nachweisen, also in einem chromosomalen<br />

Bereich, dem bis vor kurzem niemand eine entwicklungsge-

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