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JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

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143<br />

SPRACH- UND LITERATURWISSENSCHAFTEN<br />

zu beschreiben. Dazu sollen die ideologischen Voraussetzungen und<br />

interesseorientierten Optionen der „Erweiterung“ der Disziplin<br />

durch neue Formen wissenschaftlicher Kommunikation analysiert<br />

und die Entstehung dieser traditionsbildenden Sprachgeschichten<br />

für die großen romanischen Sprachen nachgezeichnet werden.<br />

Außerdem muss für die vergleichende Analyse der sprachgeschichtlichen<br />

Gesamtdarstellungen eine Rastrierung entwickelt werden, die<br />

sich durch eine Reihe von Kategorien und thematischen Zentrierungen<br />

definiert. Derartige Kriterien können z. B. sein: die jeweils zugrundeliegende<br />

sprachtheoretische Grundanschauung, die Einschätzung<br />

des Verhältnisses von Sprache und Nation, die Gewichtung<br />

externer und interner sprachgeschichtlicher Fakten, die<br />

Berücksichtigung von Sprachvarietäten.<br />

Das Forschungsvorhaben betritt in dreifacher Hinsicht Neuland:<br />

– Zwar liegen zu einzelnen Sprachgeschichten Studien vor, ihre<br />

Charakterisierung sowie systematische Einordnung in die spezifischen<br />

historischen und politischen Entstehungskontexte sind<br />

jedoch bisher noch nicht geleistet worden. So gilt es etwa im Falle<br />

Spaniens, die Verarbeitung der Verluste der Kolonien in Amerika<br />

und die dadurch ausgelöste historische Rückbesinnung zu berücksichtigen.<br />

Bei Frankreich müssen die sprachgeschichtlichen<br />

Bemühungen mit der komplex-prekären deutsch-französischen<br />

Wissenschaftskommunikation nach dem Krieg von 1870/71 in<br />

Zusammenhang gebracht werden.<br />

– Die angedeuteten Zusammenhänge sind gleichzeitig vor dem<br />

Hintergrund der Tatsache zu bewerten, dass die Philologien in<br />

den romanischen Ländern z. B. in Bezug auf die Fachkonzeption,<br />

die Methode oder die Prinzipien der editorischen Bemühungen<br />

älterer Texte insgesamt erst spät und in fundamentaler Abhängigkeit<br />

von der deutschen Romanistik entstanden sind. Insofern<br />

konstituieren sich die national-philologischen Traditionen der<br />

romanischen Sprachgeschichtsschreibung bewusst in Abgrenzung<br />

von dem aus der „Deutschen Bewegung“ stammenden Wissenschaftsparadigma.<br />

Durch diese Emanzipation vom deutschen<br />

Vorbild entstehen die filologia hispánica und die philologie<br />

française, also disziplinäre Wissens- und Kommunikationsformationen,<br />

die sich bezüglich der Objektebene von der übergreifend<br />

perspektivierten „Romanischen Philologie“ deutscher Prägung<br />

klar absetzen.<br />

– Schließlich wird die angedeutete Emanzipation im Projekt auch<br />

als Teilaspekt einer diskursiven Konstruktion nationaler Identität<br />

verstanden und ausgelegt. Die führenden sprachgeschichtlichen<br />

Arbeiten sind daraufhin zu untersuchen, inwiefern die ihnen<br />

zugrundeliegende Konzeptualisierung und Funktionalisierung<br />

von Sprache und Sprachgeschichte für die nationale Identitätsbildung<br />

von Bedeutung gewesen ist.

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