12.12.2012 Aufrufe

JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

JAHRESBERICHT 2000/2001 - Fritz Thyssen Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

139<br />

SPRACH- UND LITERATURWISSENSCHAFTEN<br />

Der Import der abendländischen Rhetorik-Tradition implizierte und<br />

bewirkte eine neue Einstellung zur Regel, die das bestehende Kommunikationsgefüge<br />

veränderte. Dabei sind zwei Aneignungsmodelle<br />

zu unterscheiden: zum einen die Fortführung der konventionellen lateinischen<br />

Terminologie, zum anderen der Versuch, durch Übersetzung,<br />

zunächst ins Kirchenslavische (die überlieferte sakrale und<br />

theoretische Sprache), hernach ins Russische, das Latein als Begriffssprache<br />

abzulösen – wobei dessen exemplarische Funktion erhalten<br />

blieb.<br />

Ziel des Projektes ist es, diesen interkulturellen Vorgang systematisch<br />

zu untersuchen und zwar anhand von handschriftlich überlieferten<br />

und edierten Abhandlungen zur Poetik und Rhetorik, die vom<br />

Anfang des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in der Ukraine und<br />

Russland entstanden sind. Beabsichtigt ist die Erstellung eines thematisch<br />

gegliederten Wörterbuchs rhetorischer Termini, das den Prozess<br />

rhetorischer Begriffsbildung systematisch analysiert und aufschlüsselt.<br />

Zugrundegelegt wird ein Korpus von 27 zumeist handschriftlichen,<br />

in einigen Fällen nunmehr ediert vorliegenden Abhandlungen<br />

zur Rhetorik und Poetik. Die Beobachtung des funktionalen<br />

Übergangs vom Latein zum Kirchenslavischen und dann zum<br />

Russischen als Beschreibungs- und Lehrsprache erscheint deshalb so<br />

wichtig, weil damit eine im 17. Jahrhundert beginnende und sich bis<br />

zur Mitte des 18. Jahrhunderts fortsetzende Entwicklung in der wissenschaftlichen<br />

Perspektivierung von Sprachphänomenen erklärt<br />

werden kann, die für die Entwicklung der modernen russischen Literatur<br />

von entscheidender Bedeutung ist. Eine Systematisierung der<br />

rhetorischen Begriffsbildung in bezug auf diese Entwicklung liegt<br />

bislang nicht vor.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> unterstützt Dr. M. Dabag (Institut für Diaspora- und Genozidforschung,<br />

Universität Bochum), Prof. H. Gründer (Historisches<br />

Seminar, Universität Münster) und Prof. U.-K. Ketelsen (Germanistisches<br />

Institut, Universität Bochum) bei dem am Institut für Diasporaund<br />

Genozidforschung durchgeführten Forschungsprojekt „Sprachliche<br />

Strategien der Exklusion in politischer Gewalt: Der Herero-<br />

Nama-Aufstand 1904/07 in der zeitgenössischen deutschen<br />

Literatur“.<br />

Projektziel ist es, anhand der Ermordung der Herero und Nama in<br />

der Kolonie Deutsch-Südwestafrika sprachliche Exklusions- und Legitimationsstrategien<br />

aufzuarbeiten. Damit soll – über die Analyse<br />

sprachlicher Strategien der Exklusion im spezifisch kolonialen Spannungsfeld<br />

hinaus – ein Beitrag zur Erforschung der vorbereitenden<br />

und bedingenden Segregationsprozesse in kollektiver Gewalt und<br />

Genozid geleistet werden. Das Forschungsvorhaben geht davon aus,<br />

dass sich moderne Formen politischer Gewalt über höchst komplexe<br />

gesellschaftliche Prozesse vollziehen. Die hier verfolgten Fragen<br />

knüpfen an Ergebnisse aus der komparativen Genozidforschung an,<br />

die darauf aufmerksam gemacht hat, dass Strategien der Definition<br />

von Opfergruppen eine zentrale vorbereitende Funktion in der Ent-<br />

Exklusionsstrategien

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!