07.02.2013 Aufrufe

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Stigmatisierung Andersdenkender - eben sein Flaggschiff "Die Welt". Sie ist schon das Springers<br />

Herzstück, verschlingt aber zugleich Unsummen an Zuschüssen; allein im Jahre 1973 über 26<br />

Millionen Mark. Eine überregionale Tageszeitung, die noch ein weiteres Viertelhundert Jahr für<br />

Jahr Millionenverluste einfahren sollte - erst im Jahr 2007 so genannte "schwarze Zahlen" notierte.<br />

Dam<strong>als</strong>, in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, rangierte die rechtskonservative<br />

Zeitung noch an dritter Stelle unter den größten deutschen Tageszeitungen. Sie ist<br />

mittlerweile mit 231.153 verkauften Exemplaren (1973) auf Platz zwölf abgefallen. Seit jenem<br />

Einbruch haben sich die Gesinnungsschreiber aus der rechten Ecke kaum neuen Leser-Schichten<br />

gewinnen, sich wirtschaftlich nicht mehr merklich erholen können; verzeichnete die Auflage nach<br />

24 Jahren ein geringfügiges Plus von nahezu 49.000 Zeitungen.<br />

Verständlich, dass die innere Beschaffenheit dieses Blattes bei relativ kleiner Auflage mit<br />

überaus hohem Sendungs-Bewusstsein, keinem der Chefredakteure Atem ließ, aus der Kontinuität<br />

heraus Erneuerung, Aufgeschlossenheit zu entwickeln - Tabu-Zonen zu kippen. Bei Springers Welt<br />

galt nun einmal die Losung - alle drei Jahre wieder steht ein neuer Chefredakteur im Vorzimmer.<br />

Fünfzehn Männer gaben sich seit Kriegsende im Durchschnitt nach 36 Monaten aberm<strong>als</strong> die<br />

Klinke in die Hand; von einigen Ausnahmen einmal abgesehen. Springer Welt - ein Taubenschlag.<br />

Aber auch das unentwegte Auswechseln, Einwechseln, an der Seitenlinie warm laufen vieler Chef-<br />

Kandidaten - vom ultrarechten Gesundbeter Herbert Kremp bis hin zum distinguiert<br />

auftretenden Pragmatiker Wolf Schneider („Wörter machen Leute", 1986) - das "ramponierte<br />

Ansehen" der Welt ("Süddeutsche Zeitung") konnte kaum verbessert werden. In nur einem Jahr<br />

etwa gewann Die Welt nur 1.084 Leser hinzu, während beispielsweise die Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung immerhin 10.531 neue Abonnenten fand. Springers Allein-Vorstand Peter Tamm (1968--<br />

1991) gesteht: "Die Welt ist eines unserer Hauptthemen. Sie könnte besser sein." Und Springers<br />

Büro-Chef Claus-Dieter Nagel räumt ein, dass Die Welt und Welt am Sonntag auf der für<br />

Anzeigenkunden wichtigen offiziellen Auflagen-Skala der IVW-Liste, "schwache Kunden" sind.<br />

Dazu plagen den Großverleger Gewinneinbußen der kapitalkräftigen Fernsehzeitschrift HörZu<br />

von zehn Millionen Mark im vergangenen Jahr 1973.<br />

Wenn einer derlei Einblicke ins Eingemachte hatte, dann war es eben Claus-Dieter Nagel.<br />

Fünfzehn Jahre hatte dieser Springer Adlatus gemeinsam mit dem seinem Herrn aus seinem<br />

Verlagshaus auf Stacheldraht wie Todesstreifen der Berliner Mauer geschaut. Fünfzehn Jahre lang<br />

verband ihn eine tief empfundene Religiosität und vornehmlich der Glaube an die deutsche<br />

Einheit mit Axel Cäsar Springer; sie beteten gelegentlich miteinander. Und schließlich fünfzehn<br />

Jahre waren beide zutiefst davon überzeugt, dass immer noch "Männer Geschichte machen,<br />

Geschichte schreiben" - dass ihre lädierte Tageszeitung Die Welt auch nur von einer starken<br />

Männer-Hand aus der Misere geführt werden könne. Männer-Pranken.<br />

Folglich steht wieder ein möglicher neuer Schriftleiter für Springers Führungscrew schon<br />

in Reserve. Der von der Wirtschaftswoche abgesprungene Chefredakteur Claus Jacobi ( Spiegel,<br />

Welt am Sonntag, Wirtschaftswoche, Bild-Zeitung) unterschrieb einen Fünf-Jahres-Vertrag. Wie<br />

auf dem üppigen Transfer-Markt für Bundesliga-Fußballer hatte der Hanseat Jacobi seine<br />

"Ablösesumme" in die Höhe getrieben, einen Chefposten in München abgelehnt. An der Isar sollte<br />

er die mit abgebildeten Frauenbrüsten in die Jahre gekommene Illustrierte Quick (1948-1992) mit<br />

frischen Sex-Geschichten ("Lass jucken Kumpel") liften. - Personen-Geschachere, Postillen-<br />

Rochaden in Sachen Pressefreiheit.<br />

Dessen ungeachtet tickt im Hause des Großverlegers eine ganz andere Zeitbombe. Für<br />

den explosiven Zündstoff sorgte der Konzernherr diesmal persönlich. Im Sommer 1974 kam der<br />

107

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!