07.02.2013 Aufrufe

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wissenschaftlerin, die die von Männern kalkulierten Leistungskriterien voll und ganz erfüllt. Sie<br />

könnte es durch ihre Qualifikation, das weiß jeder im Werk, mit all den Herren leicht aufnehmen,<br />

wenn man doch nur ließe. Vielleicht wird Isabelle ja die zweite Frau Frankreichs, die ein<br />

Kernkraftwerk leitet. Es hätte ihr schon gefallen, die erste gewesen zu sein. Bekanntlich wurde es<br />

ihre Kollegin Martine Griffon-Foucault in Le Blayais, die sie aus der gemeinsamen Studienzeit in<br />

Paris kennt und schätzt.<br />

Frankreich feierte dam<strong>als</strong> mit großer Presse die erste Chefin eines Kernkraftwerkes, seine<br />

Madame Martine, überschwänglich <strong>als</strong> nahezu auferstandene Jeanne d'Arc der Neuzeit, mit<br />

wehenden blonden Haaren vor dem Reaktor, im Segelboot, zu Pferd und auch kuschelig an der Bar<br />

- ganz im Stil: So verführerisch kann Atomspaltung sein. Isabelle Taillois: "Würdelos war das für<br />

uns Frauen in den Kernkraftwerken alle. Als hätten unsere strengen Anforderungen in<br />

Wissenschaft, Technik samt Sicherheit etwas mit illustrer, voyeuristischer Erotik zu tun."<br />

Und was passiert nicht alles in diesen Jahrzehnten in Frankreichs sicher gewähnten<br />

Atommeilern. Für Männer sind es noch routinegeübte Petitessen. Für die Frauen hingegen sind es<br />

alarmierende Vorkommnisse, die sie nicht mehr ruhen lassen. Ihre Alarmglocken schrillen, sagen<br />

sie, beruhigen sie, versichern sie. Aber - hier im Atomkraftwerk - wachen sie über ein Leben, das<br />

ihnen sind schon fortwährende bedenkliche Ausnahmesituationen genehmigt hat - und das in<br />

einem schleichenden Gewöhnungsprozess, der sich da Alltag nennen darf.<br />

Explosion im Atomreaktor. Bei einer Natriumexplosion im südfranzösischen<br />

Atemforschungszentrum Cadarache kam ein Arbeiter ums Leben, vier wurden verletzt. Nach<br />

Angaben der Präfektur des Départements Bouches-du-Rhône geschah das Unglück bei Arbeiten<br />

zum Abbau eines vor zwölf Jahren stillgelegten Versuchsreaktors. Die Explosion ereignete sich<br />

gegen 19 Uhr im Trakt des ehemaligen Reaktors "Rapsodie", eines Prototyps für den Schnellen<br />

Brüter. In Kraftwerken dieses Typs, die mehr radioaktiven Brennstoff erzeugen, <strong>als</strong> sie<br />

verbrauchen, wird das Kühlmittel Natrium eingesetzt, das bei der Berührung mit Sauerstoff in die<br />

Luft geht.<br />

Erdstöße erschüttern das südfranzösische Atomforschungszentrum Cadarche. Zu<br />

Testzwecken haben Nuklearexperten einen Mini-Gau gezündet. Immer wieder er-schüttern<br />

neuerdings Erdstöße die Fundamente der Anlage. In den letzten vier Monaten bebte der Boden<br />

insgesamt 40mal. Seither gab die Erdkruste unter dem 50 Kilometer nordöstlich von Marseille<br />

gelegenen 1.625 Hektar großen Areal keine Ruhe mehr.<br />

Anderenorts sind Haarrisse am Deckel des Reaktordruckbehälters entdeckt worden: am<br />

Stutzen des Reaktordeckels der Kernkraftwerke Fessenheim und Le Bugey; Grund für den Defekt<br />

sei Korrosion des Materi<strong>als</strong>, sagt man, die durch Temperaturen bis zu 300 Grad nach rund 50.000<br />

Betriebsstunden entstanden sei. Angesichts tiefreichender Materialfehler an der Naht-stelle<br />

zwischen Sekundär- und Primärkreislauf mussten mehrere Röhren ausgewechselt werden. Beim<br />

Hoch-drucktest des Primärkreislaufes im Block 3 des Kernkraftwerkes Le Bugey trat ein Liter<br />

Wasser pro Stunde aus dem Deckel des Reaktordruckgefäßes aus.<br />

Als es in Tschernobyl krachte, an die 70.000 Menschen starben und Millionen von<br />

Menschen radioaktiv verseucht wurden, da erinnerte sich die Ingenieurin an ihre ersten Angst-<br />

Zustände in der Kindheit. Vage Erinnerungen schienen plötzlich wieder erlebbar. Kennedy wurde<br />

1963 in Dallas ermordet. Isabelle Taillois war dam<strong>als</strong> drei Jahre <strong>als</strong>. Die Familie hörte seinerzeit<br />

Radio. Für sie <strong>als</strong> Dreißigjährige ging dam<strong>als</strong> die Welt unter. Beim Atomkraft-Desaster von<br />

Tschernobyl dachte sie nur: "Diese blöden Russen." Zu Mittag aß sie weiter unbesorgt ihren<br />

586

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!