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FRANKREICHS FREMDENLEGION - ALLES IST BESSER ALS<br />

DIE HEIMAT<br />

Armee ohne Nachwuchsprobleme - 8.500 Männer aus 120 Ländern - Frankreichs<br />

fremde Söhne<br />

Bonner General-Anzeiger vom 23. April 1994<br />

Von Ferne betrachtet, könnte das ockerfarbene Gebäude in der Rue d'Ostende in<br />

Straßburg ein Generalkonsulat sein. Eine mit Stacheldraht versehene zweieinhalb Meter hohe<br />

Mauer schützt die französischen Beamten vor unliebsamen Überraschungen. Tagsüber bilden sich<br />

hier zwischen altehrwürdigen Kastanienbäumen kleine Menschentrauben. Wortfetzen in<br />

verschiedensten Sprachen fliegen hin und her. Alle warten. Alle sind ungeduldig.<br />

Ein Nationalitäten-Gemisch aus Polen, Ungarn, Russen, Engländern, Deutschen wie auch<br />

Schweizern harrt in Reih und Glied der Dinge. Keine Familien, keine älteren Menschen. Es sind<br />

Bubengesichter, kaum älter <strong>als</strong> 18 Jahre alt; Übernächtigte, die sich in Straßburgs Rue d'Ostende<br />

ihres Einlasses vergewissern. Gelangweilte, Orientierungslose, Gescheiterte, aber auch Idealisten<br />

und Romantiker treibt es dort hin.<br />

Sie alle wähnen sich auf der Flucht, verlassen ihre Heimatländer - meist nur mit einer<br />

kleinen Reisetasche; fast immer, ohne sich zu verabschieden. Auch wenn sich diese Jugendlichen<br />

untereinander allenfalls meist nur mit gestikulierenden Händen verständigen können, so hat sie<br />

doch meist eines hierher geführt: Sie waren arbeitslos, manche auch ohne je gearbeitet zu haben;<br />

andere sind gar kriminell geworden.<br />

Suche nach Akzeptanz, nach Nähe, Hoffnung auf einen Sinn im Leben, auf dem Weg in<br />

neue, noch unbekannte Länder - das eint sie. Nur ein kleines Hinweisschild verrät, wohin der<br />

Exodus geht: Légion ètrangère - auch Frankreichs Söldnertruppe genannt. Stunde um Stunde<br />

haben die Neuankömmlinge auf ein kunterbuntes Soldaten-Plakat am Portal zu starren, das einen<br />

radikalen Lebenseinschnitt signalisieren soll.<br />

Kinn gereckt, den Kopf unterm legendären weißen Képi kahl geschoren. Unterarme wie<br />

Keulen, Epauletten rot-grün. Augen stramm gen Sanddünen, Meer und blauen Himmel gerichtet:<br />

Im Schulungsraum der Legionärs-Kaserne zwischen museumsreifen Maschinengewehren mit der<br />

französischen Fahne an der Wand inspiziert Major Olivier Souville, Kommandant des<br />

Rekrutierungsbüros gnadenlos die Neuankömmlinge. Und es werden Mitte der neunziger Jahre<br />

immer mehr, die ihren Rettungsring zur Söldner-Truppe auswerfen.<br />

Nach offiziellen Angaben sollen es allein im vergangenen Jahr mehr <strong>als</strong> 10.000 gewesen<br />

sein - davon kamen allein zwei Drittel der Bewerber aus den früheren Ostblock-Staaten.<br />

Unerwartete Zuläufe zur Fremdenlegion waren und sind seit eh und je en Reflex auf politische und<br />

wirtschaftliche Krisen, Zusammenbrüche, erlittene Kriege. "Veränderungen auf der ganzen Welt<br />

wirken sich ganz direkt auf die innere, soziale wie psychologische Verfassung und natürlich auch<br />

auf die Kampfkraft der Legion aus", urteilt ihr Pressesprecher René Tomatis.<br />

Spanische Kommunisten suchten nach ihrem gegen Franco verlorenen Bürgerkrieg Mitte<br />

der dreißiger Jahren Zuflucht bei der Legion. Nach dem Zweiten Weltkrieg heuerten hochrangige<br />

SS-Chargen an, um sich so unter anderem Namen der deutschen Strafverfolgung zu entziehen.<br />

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