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Niemand darf <strong>als</strong> schuldig behandelt werden, solange seine Schuld nicht durch ein Gericht<br />

rechtskräftig nachgewiesen ist ?"<br />

Seifert glaubte zu wissen, was er sagte: " ... dass die politischen Motive einer Ulrike<br />

Meinhof (*1934+1976) der Praxis derjenigen hundertmal mehr vorzuziehen sind, die durch die Art<br />

der gegenwärtigen Verfolgung dazu beitragen, dass in diesem Land erneut Gestapo-Methoden für<br />

legitim gehalten werden können. Nicht die Rote Armee Fraktion hat an den Fundamenten des<br />

Staatswesens gerüttelt, sondern eine Praxis der Strafverfolgung, die im Kampf gegen die Gruppe<br />

Baader-Meinhof die rechtsstaatliche Ordnung Stück für Stück ausgehöhlt hat.<br />

Er fragte: "Ende der 50er Jahre entstand im Zusammenhang mit der Verfolgung der KPD<br />

der Begriff der Kontaktschuld: Der bloße Kontakt konnte, unabhängig von der Absicht, zur<br />

strafrechtlichen Verfolgung und zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen. Sollten diese<br />

Zeiten, gegen die Gustav Heinemann (*1899+1976) und Diether Posser einst gekämpft haben,<br />

heute unter veränderten Umständen wiederkommen?" Auf den Düsseldorfer Ruhland-Prozess<br />

eingehend, erklärte Jürgen Seifert: "Der Prozess gegen Karl-Heinz Ruhland ist einzigartig in der<br />

deutschen Rechtsgeschichte. In diesem Prozess ist alles verkehrt ... Zeugen werden geladen, die der<br />

Angeklagte, nach seinen eigenen Ausführungen nur aus Angaben Dritter her kennt. Der<br />

Vorsitzende scheut sich nicht, den Angeklagten danach zu fragen, bei wem dieser in jener oder jene<br />

Nacht übernachtet hat. Fast immer fällt ein Name. Immer ist ein Dritter diskreditiert oder<br />

diskriminiert. So genügt ein Satz, den Ruhland von Gudrun Enßlin (*1940+1977) gehört haben<br />

will, sie könne jederzeit Auskunft einholen über den Stand der Ermittlungen, um die Direktorin<br />

eines Frauengefängnisses, hier fällt der Name nicht, aber Ungezählte können sich denken, wer<br />

damit gemeint ist." Seifert fragt weiter, was hat das alles mit der Wahrheitsfindung im Ruhland-<br />

Prozess zu tun? "Wo ist die liberale Presse, die sagt, das läuft ab wie ein Schauprozess; der<br />

Düsseldorfer Prozess enthält - wenigstens im Ansatz -die Verfahrensweisen, die die von Stalin<br />

inszenierten Schauprozesse kennzeichneten."<br />

Letztlich kommt er zu dem Schluss: "In diesem Prozess geht es denjenigen, die für diesen<br />

Prozess verantwortlich sind, in erster Linie nicht um den Angeklagten Ruhland, sondern um die<br />

Diffamierung und Kriminalisierung Dritter und der politischen Linken insbesondere."<br />

Die Rede war gehalten, der anschließende Fackelzug zu Peter Brückners Wohnung<br />

beendet. Niedersachsens Politiker reagierten unverzüglich und mit aller Schärfe. Kultusminister<br />

Peter von Oertzen (*1924+2008), den Seifert seit den 50er Jahren kennt und der ihn auf den<br />

Lehrstuhl in Hannover berief, leitet ein Vorermittlungsverfahren ein. Justizminister Hans Schäfer<br />

(*1913+1989) lässt durch den Celler Gener<strong>als</strong>taatsanwalt überprüfen, ob Seiferts Rede<br />

strafrechtlich relevant sei, und Ministerpräsident Alfred Kubel (*1909+1999) fällt ein politisches<br />

Urteil, indem er gegenüber der Deutschen Presseagentur erklärt, Seifert habe sich in einer Weise<br />

geäußert, die mit seinem Treueverhältnis <strong>als</strong> Landesbeamter dem Staat gegenüber nicht zu<br />

vereinbaren sei. Im Plenum des Landtages betont der Ministerpräsident: "Wenn ich einem<br />

Hochschullehrer, <strong>als</strong>o einem Wissenschaftler vorwerfe, er argumentiere nicht rational: so sollten Sie<br />

verstehen, dass es kaum ein härteres Urteil über den Wert seiner Argumente geben kann. Nehmen<br />

Sie bitte entgegen, dass ich jede Unterstellung, ich wolle Äußerungen von Professor Seifert<br />

verharmlosen, entschieden zurückweisen muss."<br />

Der Sprecher der CDU, Werner Remmers, sah sich zu einer Stellungnahme veranlasst.<br />

"Die 'Vorgänge um Brückner und Seifert in Hannover sollten nun endgültig allen Demokraten<br />

deutlich gemacht haben: Es ist revolutionären Kräften gelungen, Positionen in den Hochschulen zu<br />

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