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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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is eben hin zur Fälschung", bemerkt der einstige Nannen-Stellvertreter Manfred Bissinger, "sei der<br />

eigentliche Nährboden gewesen, in diesem Klima konnte Heidemann gedeihen."<br />

Dieser stern, der sich seinen Lesern mit einfühlsamen Sozialreportagen, mit Serien gegen<br />

Berufsverbote, Militarismus, Folter, Rüstungswahn empfiehlt, in diesem stern spielte Henri<br />

Nannen "das Schwein", um den stern zu retten" (Nannen über Nannen). Er beritt Frauen nach<br />

Lust und Laune; alle staunten, tuschelten und schauten weg. Er bürstete seine verängstigten<br />

Mitarbeiter menschenverächtlich ab, furzte in den Konferenzen herum, ließ seine Leute im<br />

Gestank schmunzelnd strammstehen. Er feuerte oder heuerte Redakteure von einer Minute zur<br />

anderen. Wer aufmuckte - gegen den "Hans Albers des Journalismus"- der bekam in späteren<br />

Jahren nicht etwa den neureich <strong>als</strong> TV-event aufgemotzten "Henri-Nannen-Preis", sondern nicht<br />

selten Hausverbot - postwendend. Und wer gar zaghafte Schwäche zeigte, den beutelte er oft<br />

genüsslich bis zur Selbstaufgabe. Sie hießen Peter Heinke, Wolfgang Barthel oder auch Paul-Heinz<br />

Kösters - sie schieden alle - über kurz oder lang, Jahre hin, Jahre her - freiwillig nicht nur vom stern<br />

- aus ihrem Leben. Ein Redakteur um die 50 Jahre alt, flehte ihn weinend an, ihn doch wenigstens<br />

erst in einem Jahr zu feuern, wenn sein Sohn das Studium beendet habe. Fehlanzeige. Dieser<br />

"perfekte", "radikale Opportunist", wie Erich Kuby ihn charakterisierte, der sich bei Nannen<br />

immerhin 16 Jahre verdingte, prügelte sein Blatt mit Bauch und Geruchssinn zum einsamen Erfolg;<br />

zu acht Millionen Lesern wöchentlich.<br />

Unter Nannens Ägide brodelte ein Klima, das in Kasernen oder Gefängnissen den<br />

zermürbenden Alltag durchdringt.<br />

Eine luxuriöse Psycho-Folter, der sich kaum einer entziehen kann, der auch nur halbwegs<br />

in diesem Haifischbecken überleben will. Der einstige Stern Reporter Kai Hermann trat ihm<br />

jedenfalls vor Zorn im Jahre 1978 die Glastür ein, weil er sich der Auflage willen wieder einmal<br />

über eine Absprache hinweggesetzt hat und das Konterfei der Christine F. ("Wir Kinder vom<br />

Bahnhof Zoo") fast identifizierbar auf den Titel pustete. Dem Triebtäter Nannen folgte der<br />

Kompaniefeldwebel Peter Koch, der Mann "mit den Rasierklingen an den Ellenbogen".<br />

Diese "deutschen Großhans-Arroganten" stapften gut gelaunt über Leichen. Was macht<br />

es schon es da schon, wenn sich eine Redakteurin vor beruflicher Ohnmacht ihre Pulsadern<br />

aufritzt, quasi in letzter Minute gerettet wird. Ein Bonner Korrespondent sich aus dem Fenster<br />

stürzen will, weil er dem "Leistungsknüppel" nichts mehr entgegen zu setzen hatte, nunmehr <strong>als</strong><br />

Bonner Frührentner sein Leben mit Hilfe der Anonymen Alkoholiker meistert. Ein anderer, der<br />

den einjährigen Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik regelrecht <strong>als</strong> "Befreiung" feiert, ein<br />

weiterer mit 40 Jahren ins Gras beißt, weil der dem Stress nicht mehr standhielt und sich zu Tode<br />

soff. Was macht es da schon, wenn der frühere "stern"-Reporter Karl Robert Pfeffer in Beirut,<br />

Hans Bollinger und Wolfgang Stiens am Victoria-See in Uganda erschossen werden. Ihre Leichen<br />

geben zumindest soviel her: eine hautnah erlebte Illustrierten-Story mit faktenreichem<br />

Betroffenheit-Habitus, von der Nannen schon längst geträumt hatte - im doppelseitigen,<br />

Vierfarbformat versteht sich.<br />

Für die stern-Oberen ist die Welt, ist jedermann käuflich, alles verfügbar, der ganze<br />

Erdball ein einziger Puff; Spesen selbstverständlich qua Ersatzbeleg für "Übersetzungskosten".<br />

Bekanntlich 9,34 Millionen für die Tagebücher, 100.000 Mark für die degoutante Serie über<br />

Marianne Bachmeier (*1950+1996 - sie hatte im Gerichtssaal den mutmaßlichen Mörder ihrer<br />

Tochter erschossen), ganze 80.000 Mark für den Kronzeugen gegen den KGB, 250.000 Mark für<br />

Beckenbauer, 125.000 Mark für Jimmy Carter usw. usf. Und einen Chefredakteur Peter Koch, der<br />

sich seine Tapeten fürs neue Haus im Villenvorort Övelgönne an der Elbchaussee aus New York<br />

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