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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Versprechen, dieses neue Frankreich gestalten zu wollen. Schon 18 Monate später kam ihm<br />

dergleichen nicht mehr über die Lippen. Nunmehr gehörten Computer samt Hochtechnologie,<br />

Kernkraftwerke, TGV-Schnellzüge und das Bildschirmtextgerät "Minitel" zu seinem<br />

Lieblingsvokabular - die Terminologie eines fundamentalen Sinneswandels. Längst hatte der<br />

Präsident die "Union der Linken" verabschiedet - fortan suchte er die Symbolik eines Charles de<br />

Gaulles (*1890+1970), ganz besonders war er in monumentale Bauten verliebt, die das<br />

Unvergängliche seiner Amtszeit zu dokumentieren vermochten.<br />

Danielle gehörte in seiner engsten Umgebung zu den wenigen, die sich dieser bizarren<br />

Wendung des "Wahl- monarchen" entgegenstemmten, " Aber er ist Mitterrand, ich bin Sozialistin",<br />

sagte sie oft ein wenig verschämt und ungefragt. Die Ehe war längst auseinander. François lebte in<br />

einem präsidialen Parallelhaushalt mit der Kunsthistorikerin Anne Pingeot am Pariser "Quai<br />

Branly" zusammen. Mit ihr verbindet ihn auch die gemeinsame z1wanzigjährige Tochter Mazarine.<br />

Ein reines Staffagen-Dasein fristeten die Bewacher der "Garde Républicaine", die stets ungerührt<br />

und pflichtversessen seine eigentliche Wohnung in der "Rue de Bièvre" bewachten. -<br />

Staatsgeheimnis.<br />

Im Gegensatz zu Deutschland und vor allem den angel-sächsischen Staaten sind im<br />

romanischen Frankreich in der Öffentlichkeit außerhäusige Bettgeschichten, längere Amouren,<br />

dauerhafte Zweisamkeiten und damit auch uneheliche Kinder geradezu tabu. Vornehmlich dann,<br />

wenn es den Namen eines hochgestellten Mannes aus Politik, Wirtschaft oder Verwaltung <strong>als</strong><br />

Erzeuger auf dem Geburtsschein einzutragen gilt. Zu sehr ist die familiäre Daseinsfürsorge der<br />

Männer zu einem scheinbar unanfechtbaren Dogma geworden. Dabei weiß die Republik insgesamt<br />

etwa 1,2 Millionen uneheliche Kinder in ihren stolzen Reihen. Nur Heimlichtuereien pflastern den<br />

Karriere-Weg im Dunstkreis des gesellschaftlichen Anstands. Dabei gelten doch auch unter den<br />

Männern des Pariser Etiketten-Milieus nur die "besten Jäger" <strong>als</strong> förderungswürdig für den<br />

erhofften Aufstieg, der sich im Kürzel "PDG"("Président Directeur Général") nennt. Und François<br />

Mitterrand gefiel sich schon immer in der Rolle des "homme à femmes" - <strong>als</strong> diskreter Frauenheld<br />

der Republik. Einer Frauen-Zeitschrift bekundete er: "Frauen lieben, das ist wie Blumen lieben."<br />

Tatsächlich nimmt nun ein vom Krebs gezeichneter Mann Abschied - von seiner Macht,<br />

von der Politik, von seinem Leben. Und während des Schlusschor<strong>als</strong> für die "Ära Mitterrand" wagt<br />

er es wohlbedacht, sich mit seiner ihm verblüffend ähnlich sehenden illegitimen Tochter Marzarine<br />

im Pariser Restaurant "Le Divellec" in der "Rue de l'Université" zu zeigen. Schließlich galt es, mit<br />

Freunden ihre Aufnahme in die Elite Hochschule "Ercole nNormalesuperiere zu feiern. Heimlich<br />

geschossene Fotos und Reportagen aus der Schlüsselloch-Perspektive - ein Urknall im Frankreich<br />

der Männer. "Eine ganze Macho-Gesellschaft zitterte", schrieb die Satire-Zeitung "Charly Hebdo"<br />

mit hämischen Unterton.<br />

Verständlich, dass derlei von Mitterrand offenkundig beabsichtigte Indiskretionen sein<br />

Vorgänger, der liberal-konservative Valéry Giscard d'Estaing, "bedauerlich" fand. Verständlich<br />

auch, dass sich der gaullistische Innenminister Charles Pasqua "tief schockiert" zeigte und<br />

Sozialistenchef Henri Emmanuelli gar von einem "absoluten Tiefschlag" wetterte. Frankreichs<br />

Männer-Phalanx in einer Großen Koalition vereint oder Geschlechterkampf auf französisch. Nur<br />

Danielle Mitterrand, die eigentlich betroffene Ehefrau, blieb ganz gelassen. Sie äußerte frohgemut:<br />

"Wären wir alle ehrlicher miteinander, es blieben uns diese lüsternen Schlüsselloch-Effekte einer<br />

gesellschaftlichen Doppelmoral erspart. François und ich, wir haben uns noch sehr viel zu sagen."<br />

Von Danielle Mitterrands Abschied an der Seite ihres Mannes mag so eigentlich niemand<br />

in Frankreich Kenntnis nehmen. Er findet praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.<br />

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