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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Vermerk: "Nicht registriert." Im Jahre 1911 sollen seine Eltern in Freistatt geheiratet haben.<br />

Amtlicher Vermerk: "Nicht registriert." Er will mit seinem Vater, einem Holzhändler, in Zoppot in<br />

der Seestraße 8 gewohnt haben. Amtlicher Vermerk: "Nicht registriert."<br />

Für die Staatsanwälte wird eine Klemmsche Familienzusammenführung nach fast vierzig<br />

Jahren zu Prozessbeginn unvermeidlich sein. Nur eine Frau bleibt davon ausgeschlossen. Nämlich<br />

die, die der angebliche Ludwig Jantz in Allendorf <strong>als</strong> seine Ehefrau ausgab, die aber tatsächlich<br />

Erna Boehlke heißt. Sie hat sich in ihrem Haus verschanzt. Ihre Augen sind rot unterlaufen, ihr<br />

Gesicht von den vielen Beruhigungsmitteln aufgedunsen.<br />

Die Verhaftung ihres Lebensgefährten traf sie plötzlich unerwartet. Nicht einmal<br />

andeutungsweise habe ihr Gefährte ihr von seiner undurchsichtigen Vergangenheit berichtet.<br />

"Dabei haben wir uns alles gesagt, bei uns war nichts tabu", beteuert sie. "Wenn er etwas auf dem<br />

Kerbholz gehabt hätte, hätte er sich doch irgendwann einmal aussprechen müssen."<br />

Für die frühere Angestellte hat es keinen ersichtlichen Grund, an Jantz zu zweifeln. In<br />

Düsseldorf, wo sie zuletzt lebten, war er <strong>als</strong> zuverlässiger Buchhalter bekannt. Als die Kripo 1973<br />

seine Wohnung durchsuchte, lebte Jantz noch mit seiner zweiten Frau zusammen, die noch im<br />

selben Jahr an Krebs starb. Erna Boehlke kannte er schon seit 1958. Als er kurz nach dem Tod<br />

seiner Frau arbeitslos wurde, schlug Jantz der Erna Boehlke vor, gemeinsam aufs Land zu ziehen.<br />

Mit Erspartem kauften sie sich beide in Allendorf ein heruntergekommenes Bauernhaus. Zwei<br />

Jahre dauerte die Renovierung, Eine Heirat kam nicht in Frage, wegen Ernas Rente. Also spielte<br />

man für die Allendorfer das traute Ehepaar und konnte sich - er erhielt Arbeitslosenunterstützung -<br />

im Sommer sogar Fahren an den Rhein, an den Bodensee und nach Liechtenstein leisten.<br />

Am Dorfleben beteiligten sich die Zugereisten aus Düsseldorf nur soweit wie nötig. Beim<br />

Feuerwehrfest tauchten sie allenfalls <strong>als</strong> Zaungäste auf. Sie blieben lieber zu Hause, sahen Krimis<br />

oder hörten klassische Musik von Mozart, Bach, Chopin, aber auch die beliebten Opernchöre oder<br />

"Volkslieder aus dem Heimatland Ostpreußen". Gelegentlich las Jantz seiner Gefährtin auch etwas<br />

vor. Sein Lieblingsautor war Casanova.<br />

"Ich kann das alles nicht fassen", sagt die Erna Boehlke und weint. Für sie war Jantz<br />

Luftwaffenpilot, "einer der ersten deutschen Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg". Und sie erinnerte<br />

sich noch genau, wie er über seine Kameraden sprach. Das letzte Mal über Oberst Rudel, der stand<br />

gerade in den Schlagzeilen. "Da hat Ludwig mir noch erklärt, dass der Rudel kein guter Flieger war.<br />

Dafür soll er aber besser geschossen haben <strong>als</strong> die anderen."<br />

"Soll'n die mich doch gleich erschießen", hat er zu Erna Boehlke bei ihrem letzten Besuch<br />

in der Untersuchungshaft gesagt. Sie solle sich bloß nicht um ihn sorgen. "Er will nicht einmal, dass<br />

ich noch seine Wäsche wasche."<br />

Frau Boehlke bringt mich bis vor die Tür des penibel renovierten Bauernhauses in<br />

Allendorf und blickt für einen kurzen Moment aufs Kopfsteinpflaster. "Da, erinnert sie sich, "lag<br />

im letzten Herbst ein Regenwurm. Den hat Ludwig aufgehoben und behutsam ins Gras gelegt. " -<br />

42 Tage nach seiner Verhaftung erhängte sich Ludwig Jantz alias Klemm mit einem Bettlaken am<br />

Fensterkreuz seiner Zelle. Eine Nachricht ließ er nicht zurück.<br />

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