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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Stellenwert wie in hoch industrialisierten europäischen Ländern. Auf Schmidts Einwände bin ich<br />

anfänglich nicht immer eingegangen, weil ich von der Sache ein anderes Verständnis hatte.<br />

Aber ich merkte zunehmend deutlicher, dass gegen mich <strong>als</strong> Ministerin für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit Meinung gemacht wurde. Eine negative Stimmung ballte sich da zusammen, die<br />

sich auch auf den Kanzler auswirkte. Er machte mir Auflagen und wies mich auf meine Grenzen<br />

hin. Ich sollte nämlich nicht noch einmal wagen, gegen die Regierungsmeinung und am Kabinett<br />

vorbei die Erhöhung meines Haushalts durchzusetzen. Mein Verhalten entsprach nicht der<br />

Kabinettsdisziplin in einer Kanzler-Demokratie. Ich hatte mit Unterstützung meiner Fraktion<br />

gegen seinen erklärten Willen eine Mehrheit im Parlament hinter mich gebracht und meinen<br />

Entwicklungshilfe-Etat nach Beratungen im parlamentarischen Haushaltsausschuss erheblich<br />

gesteigert. Vorbei am Kanzler, vorbei am Finanzminister hatte ich gewagt, mehr Gelder locker zu<br />

machen, weil es einfach riskiert werden musste. Denn solche Signale waren und sind für die Dritte<br />

Welt wichtig - sehr wichtig.<br />

Eine weitere Auflage des Kanzlers war ultimativ: Bis dann und dann sollte ich meinen<br />

Staatssekretär und einige Abteilungsleiter entlassen. Helmut Schmidt verfolgte wohl die Absicht,<br />

ein Kabinettsrevirement bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abzuschließen. Bei den anderen<br />

Bereichen war scheinbar schon alles klar. Nur bei und mit mir gab es Probleme. Dabei war es nicht<br />

Trotz oder dergleichen - so etwas wie Bockigkeit, nein. Ich wollte nur eine gewisse Zeit eingeräumt<br />

haben, um mich um meine Mitarbeiter zu kümmern. Weisungs-recht hat er ja, daran ist nicht zu<br />

rütteln. Wir hatten einen Termin für die Ablösung von Professor Udo Kollatz ausgehandelt, aber<br />

der war nicht zu halten. Eins kam zum anderen - schließlich musste ich daran glauben und aus dem<br />

Kabinett ausscheiden. Ich kannte Helmut Schmidts Art, manche Dinge zu . Aber er hätte von mir<br />

wissen müssen, dass ich auf den Abgeordneten-Platz zurückgehe und nicht an einem Ministeramt<br />

klebe. Aber wie er meinen Rauswurf aus dem Kabinett über die Medien zuvor ließ, das war nicht<br />

die feine Art, das hat mich doch ziemlich getroffen.<br />

Ich hatte den Einfluss der Medien auf die Politik völlig f<strong>als</strong>ch eingeschätzt. Als<br />

parlamentarische Staatssekretärin im Kanzleramt widerfuhr mir eine durchgängig wohlwollende<br />

Berichterstattung unter dem Stichwort "Mutter Marie". Dieses gewohnte Erfolgsgefühl verleitete<br />

mich dazu, noch offenherziger und vertrauensseliger zu sein und mir dann manchmal meinen vorlauten<br />

Mund zu verbrennen. Deshalb kümmerte ich mich <strong>als</strong> Ministerin nicht viel um die Presse.<br />

Ich pflegte natürlich Kontakte zu Journalisten, aber nicht in der Absicht, dass sie mich nach oben<br />

schreiben. Anbiedern wollte ich mich nicht. Wieso auch - schließlich war ich doch jemand. Die<br />

übliche Selbstanmeldung für Positionen habe ich nie betrieben: Ich wurde aufgefordert, mich <strong>als</strong><br />

Schulrätin zu bewerben, ich wurde aufgefordert, für den Bundestag zu kandidieren. Um die<br />

Aufgabe <strong>als</strong> Staatssekretärin im Kanzleramt zu über-nehmen, musste Helmut Schmidt mir lange<br />

zureden. So war das bei mir.<br />

Dam<strong>als</strong> im Ministerium musste sehr viel verändert werden. Es schien mir wichtig, andere<br />

Beziehungen, einen anderen Umgang untereinander zu entwickeln. Ich wollte überkommene<br />

Arbeitsformen durch neue ersetzen. Abbau von Reibungsverlusten im Statusgerangel hieß mein<br />

Stichwort. Da habe ich wieder sehen können, wie schwierig es ist, Bewusstsein zu verändern und<br />

aus einem veränderten Bewusstsein eine neue Haltung abzuleiten. Ich wollte durchsetzen, dass<br />

jeder Referent mit der Ministerin direkten Kontakt auf-nehmen könnte. Hier schlummerten doch<br />

so viele Fähigkeiten, die von der reglementierten Bürokratie blockiert wurden.<br />

Was ich da machte, war für Bonner Ministerial-Verwaltungs-Verhältnisse eine kleine<br />

Kulturrevolution. Aber selbst die CDU-Leute zogen mit. An Leistungswillen und politischer<br />

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