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POLNISCHE SPÄT-AUSSIEDLER - "HEIM INS REICH"<br />

Zwischen 1950 und 1998 kamen etwa 1,44 Millionen Aussiedler un Aussiedlerinnen<br />

von Polen nach Deutschland. Als Folge des Warschauer Vertrags von 1970 über die<br />

Grundlagen der Normalisierung der Beziehungen zwischen Polen und der Bundesrepublik<br />

Deutschland, wurde erneut eine Vereinbarung über die Möglichkeit der<br />

Familienzusammenführung von Deutschen aus Polen getroffen. Die Volksrepublik Polen<br />

erkannte damit indirekt die Existenz von Deutschen im Lande an. Während Polen von<br />

einigen Zehntausenden von Ausreisewilligen ausging, lagen dem Deutschen Roten Kreuz<br />

zu Beginn des Jahres 1970 etwa 250.000 Anträge vor. Die zurückhaltende<br />

Genehmigungspraxis der polnischen Behörden veranlasste Bundeskanzler Helmut<br />

Schmidt (1974-1982) bei Gesprächen mit Polens Staatschef Edward Gierek (*1913+2001)<br />

am Rande der KSZE-Konferenz in Helsinki 1975 auf die Unterzeichnung eines<br />

Ausreiseprotokolls zu drängen. Danach sollten innerhalb von vier Jahren weitere 125.000<br />

Personen eine Ausreiseerlaubnis erhalten. Der Zuzug aus Polen nach Deutschland ist erst<br />

zu Beginn der neunziger Jahren durch die Neufassung des Aussiedleraufnahmegesetzes<br />

gestoppt worden. Rückblick. Zeitgeschichte.<br />

stern, Hamburg 18. Dezember 1975<br />

Die Kiste steht mitten in der Küche. Dem 78jährigen Josef Mainka dauert die Packerei<br />

viel zu lange. "Wir haben nicht mehr viel Zeit", treibt er seine Schwiegertochter Monika Mainka,<br />

37, an, die gerade Röcke und Pullover ihrer Töchter Veronika,13, und Christa, 10, verstaut. Zwei<br />

Frachtkisten stehen schon gepackt auf dem Hof.<br />

Die Adresse, in großen schwarzen Lettern auf der Frontseite eingebrannt, ist nicht zu<br />

übersehen: "Durchgangslager Friedland - BRD." Damit die Ausreise aus dem oberschlesischen<br />

Dorf Kozuby (früher Dammrode) klappt, fährt Mainkas Sohn Jan, 42, noch einmal zum Passport-<br />

Büro nach Opole (Oppeln). "Das Frachtgewicht in den Papieren muss ganz genau stimmen, damit<br />

wir auch wirklich rüberkommen", sagt Jan. Danach will er <strong>als</strong> Weihnachtmitbringsel für die<br />

Verwandtschaft fünf Gänse schlachten, die noch lauth<strong>als</strong> auf dem Hof herumschnattern. Land (12<br />

Hektar) und Gebäude sind schon dem polnischen Staat übereignet.<br />

Maurer Mainka muss sich noch von seinen Arbeitskollegen verabschieden, mit denen er<br />

20 Jahre im Akkord Häuser baute. Wohl ist ihm dabei nicht. Immerhin brachte er jeden Monat<br />

5.000 Zloty (416 Mark) nach Hause, und die kleine Landwirtschaft, die seine Frau besorgte, warf<br />

2.000 Zloty ab. Jan Mainka frohgemut: "Bei euch soll es sehr schön sein. Aber wie die Verhältnisse<br />

tatsächlich sind, wie soll ich das wissen. Wer sagt mir, ob ich einen Arbeitsplatz finde?" Opa<br />

Mainka fährt dazwischen: "Wer hart arbeitet, der bringt es auch zu was. Und im ersten Jahr kannst<br />

du doch stempeln gehen."<br />

Der Alte ist verbittert. Im Ersten Weltkrieg lag er für den Kaiser vor Verdun, in der Nazi-<br />

Zeit war er städtischer Angestellter in Breslau (jetzt:Wroclaw). Aber eine Rente bekommt er bis<br />

heute nicht, obwohl die Familie 1951 die polnische Nationalität annehmen musste. 1958 hatte<br />

Mainka zum ersten Mal die Ausreise beantragt, wollte dann aber doch lieber in der Heimat bleiben.<br />

Er glaubte an die von Konrad Adenauer (Bundeskanzler 1949-1963) versprochene<br />

Wiedervereinigung Deutschlands in den Grenzen von 1937 und wollte mit dabeisein, wenn die<br />

"deutschen Kolonnen" in Schlesien einziehen.<br />

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