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TERRORISMUS - ZERRISSENE GESTALTEN ODER<br />

BLEIERNE ZEITEN IM DEUTSCHEN HERBST<br />

Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer (*1915+1977) wurde im Oktober 1977 in<br />

der Nähe vom französischen Mulhouse durch die Terrororganisation RAF ermordet.<br />

Es war der Höhepunkt einer wohl<br />

schwerwiegenden Krise in der Nachkriegsgeschichte. Bedrückende Ereignisse jener <strong>als</strong><br />

"Deutscher Herbst" bezeichneten Monate, rückten zweifelhafte Rechtsanwälte in den<br />

Mittelpunkt. Rechtsvertreter, die daran erkennbar zerbrochen sind; zerrissene Gestalten.<br />

Der umstrittene RAF-Schleyer-Vermittler Advokat Denis Payot aus Genf verlor wegen zu<br />

hoher Honorarforderungen an die Bonner Regierung sein Amt <strong>als</strong> Präsident der<br />

schweizerischen Liga für Menschenrechte; weitgehend seine Reputation. Sein deutscher<br />

Kollege Claus Croissant blieb nicht nur RAF-Sympathisant und RAF-Unterstützer,<br />

sondern war zudem Jahre später auch noch Agent des Ministeriums für Staatssicherheit<br />

(IM Thaler) tätig. In Frankreich, wo Croissant "politisches Asyl <strong>als</strong> Verfolgter" beantragt<br />

hatte, wurde er im November 1977 in deutsche Haftanstalten abgeschoben. Es begannen<br />

Croissant-Jahre mit Gefängnissen, Geldstrafen, Berufsverbot. Den Kontakt zu seinen<br />

einstigen Freunden hatte er längst verloren. Er starb im Jahre 2002 in Berlin. - Momente<br />

vom deutschen Herbst mit seinen Neben-Schauplätzen in Genf und Paris. - Wirre Zeiten<br />

in einer vom Terror entgeisterten Angst-Epoche.<br />

stern, Hamburg 22. September 1977 / 02. Oktober 1977<br />

Als Klaus Croissant die Geschichte vom "verlorenen Sohn" erzählte, wusste er noch<br />

nicht, dass es vorerst sein letzter Auftritt war. Verfolgt von der bundesdeutschen "Barbaren-<br />

Polizei" , so tönte der Anwalt, sei er heimgekehrt nach Frankreich, in das Land seiner Väter. So wie<br />

die Burgunder und Hugenotten vor den Greifern des Sonnenkönigs Ludwig XIV. (*1638+1717)<br />

hätten flüchten müssen, ergehe es nun ihm im 20. Jahrhundert. Nur: Der Unterdrücker sei heute<br />

nicht mehr der König, sondern der Kanzler am Rhein. Und die Gehilfen des Helmut Schmidt<br />

(1974-1982) seien die alten NS-Blockwarte, die schon "fünf Jahre nach dem Krieg die Köpfe<br />

erhoben und ihre Plätze wieder einnahmen". Das Deutschland der "Nazi-Väter", so Croissant,<br />

habe ihm keine "Freiheits-Garantien" mehr geben können. Deshalb könne er nur von Frankreich<br />

aus der Bonner Regierung den Kampf ansagen und den Verfolgten zur Seite stehen.<br />

Croissants Gesprächspartner, der Pariser Journalist Charles Blanchard von der<br />

sozialistischen Tageszeitung "Le Matin", war "tief beeindruckt", <strong>als</strong> er das Versteck des flüchtigen<br />

Anwalts in der Avenue Général Leclerc verließ. Blanchard konzedierte: "Er war mir sehr<br />

sympathisch. Wir hatten ein warmherziges Gespräch." Das war am vergangenen Freitag 16.<br />

September 1977 um 14 Uhr.<br />

Bereits um 15.28 Uhr riegelten 80 Polizisten der 6. Territorial-Brigade den Häuserblock<br />

im 14. Pariser Stadtbezirk hermetisch ab. Scharfschützen postierten sich auf Dächern und in<br />

Hausfluren. Robert Cotté, seit 22 Jahren Hausmeister des Blocks 110, berichtet: "Ein Stoßtrupp<br />

eilte auf den Hinterhof. Einer sagte mir, ich solle schnell im Haus verschwinden, damit mir nichts<br />

passiert."<br />

4 mit Michael Seufert<br />

218<br />

4

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